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Bei dem 'Flirten' verzieht sie missmutig die Mundwinkel, lauscht aber seinen Worten und Ausführungen. Lange sieht sie ihm abschließend ins Gesicht bevor sie mit ruhigen Worten fortsetzt.
Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher was ich von Euch halten soll. Chiara hat mir erzählt von eurer Beziehung zueinander. Dass sie Euren Vater getötet hat, und dass Ihr ihr dafür sogar dankbar seid.
Ich bin eigentlich her gekommen um nach zu prüfen, ob Ihr etwas im Schilde führt.
Ihr Blick wandert in Richtung seines Gepäcks, geht aber wieder zurück zu Aiden um ihn nicht vollkommen aus den Augen zu verlieren.
Amüsiert legt Aiden den Kopf schräg.
Vielleicht führe ich ja wirklich etwas im Schilde. Nur nicht das, was Ihr erwartet.
Er entsichert seine Waffe.
Ihre Augen zucken zur Pistole. Er hat sie entsichert, aber nicht angelegt. Sie bemüht sich ruhig zu bleiben.
Ihr meint weil Ihr Euch umbringen wollt? Dagegen werde ich nicht vorgehen.
Ich finde nur, Ihr macht es Euch sehr leicht und rücksichtslos. Feigling.
Ich mache es mir leicht...
Er lacht erneut freudlos auf.
Und deswegen trage ich diese Waffe auch schon seit vier Jahren mit mir herum. Vielleicht bin ich wirklich ein Feigling, aber nur, weil ich bisher nicht den Mut aufbringen könnte, tatsächlich abzudrücken.
Er blickt erneut auf und schwach kann man Tränen in seinen Augen glänzen sehen, aber das macht ihm nichts aus.
Nein, nicht weil Ihr noch nicht abgedrückt habt, sondern weil Ihr es vor habt.
Sie legt ihre Hand auf seine Waffe, über seine Hand, die Trommel, den Hahn. Mit leiser Stimme spricht sie, die Augen genau in seine gerichtet, nicht blinzelnd.
Ich habe gesehen wie Frauen in der Gosse ihre Babys an ihre Brust drücken, während diese verhungerten Gestalten versuchen den letzten Tropfen heraus zu holen.
Ich habe Kriegsversehrte gesehen welche nur noch die Hälfte ihrer Gliedmaßen besaßen und sich keine Prothesen leisten konnten.
Und ich habe junge Damen gesehen, welche sich hergeben, innerlich zerbrochen und gehofft haben die nächste Spritze würde sie in ein besseres Leben führen.
Sie zieht sanft die Waffe soweit, dass der Lauf auf sie gerichtet ist und hält dann inne.
Keiner von denen hatte es so gut wie Ihr. In hübscher Kleidung, vermögend, gesellschaftlich alles möglich. Nein, Ihr jammert herum wie schlecht es Euch geht. Das nenne ich Feigheit.
Aiden verzieht seine Lippen zu einem schmerzhaften Grinsen.
Ihr habt kein Recht, so über mich zu reden. Ihr kennt mich nicht.
faucht er. Er steht auf, drängt sie möglichst sanft zur Seitenwand geht zur Tür hinüber. Doch auf dem Weg dorthin muss er einen Umweg einlegen. Urplötzlich weicht er einem nicht vorhandenen Hindernis aus. Als er schließlich an der Tür angelangt, lehnt er sich an die Wand daneben und atmet ruhig ein und aus. Dann spricht er ruhig und gelassen, dennoch mit einer Härte in der Stimme.
Ich würde all mein Geld und all meine Kleidung geben, um meinen Dämonen zu entfliehen, Miss. Aber zumindest die Menschen kann ich mit Ihnen täuschen.
Er lächelt schwach und voller Schmerz.
Urteilt nicht über mich. Wenn ihr nichts anderes zu sagen habt, dann geht bitte.
Er deutet auf die Tür.
Anora war zu sehr damit beschäftigt den Hahn des Revolvers zu halten, als ob sie sich gegen sein Drängen wehren könnte. Das hat sie nämlich getan, während sie ihm den Vortrag gehalten und die Waffe auf sich zeigen hat lassen. Selbst wenn er abgedrückt hätte, wäre nichts geschehen, da sie den Hahn fest gehalten hätte.
Was erwartet Ihr? Das ich einfach gehen werde damit Ihr Euch tötet?
Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.
Denn ich bin mir sicher, Chiara würde sich enorme Schuldgefühle deswegen machen wenn sie aus ihrem Suff aufwachen würde und Aiden hätte sich getötet.
Sie wendet ihm den Blick zu, bewegt sich aber keinen Schritt von der Stelle.
Chiara hat erwähnt, dass Ihr Dinge seht. Dass Ihr eine Krankheit im Kopf habt. Warum lasst Ihr Euch nicht behandeln?
Was geht es Euch an, Miss?
fragt Aiden aufgebracht. Er blinzelt einen Moment lang schnell, bevor er seinen Zeigefinger und Daumen auf seine Nasenwurzel presst. Bleib ruhig, Aiden, das tut dir nicht gut. Er atmet erneut langsam ein und wieder aus.
Es gibt keine Behandlung, die die Bilder aus meinem Kopf löscht. Denkt nicht, ich hätte nicht anfangs danach gesucht. Ich lasse niemanden an meinem Kopf herumspielen und Dinge verpfuschen. Dann geb ich mir lieber gleich die Kugel. Und jetzt...
Er atmet scharf ein und lässt die Hand wieder sinken.
Geht bitte, bevor ich noch...
Bevor Ihr was?
Sie verschränkt die Arme.
Für jemanden der sein Leben beenden will habt Ihr noch ziemlich viele Drohungen und Ängste parat.
Anora schaut auf Aiden der sie zum gehen auffordert und seufzt schwer. Wahrscheinlich war sie zu streng zu ihm. Vielleicht hat Chiara Recht und Aiden ist wirklich einfach nur froh über dieses Wiedersehen gewesen.. Sie wird leiser in ihrer Argumentation.
Ich weiß, dass man niemanden der Selbstmord begehen will auf lange Sicht aufhalten kann. Es ist eine Entscheidung welches derjenige selbst treffen muss.
Ich werde Euch also nicht aufhalten, wenn Ihr es wirklich beabsichtigt.
Aber was ist es? Was läuft in Eurem Leben so dermaßen schief, dass Ihr jegliche Hilfe aufgeben wollt? Was quält Euch?
Wenn Ihr Euer Leben ohnehin beenden wollt, dann braucht Ihr es nicht verheimlichen.
"Ich drohe Euch nicht, Miss."
Aiden schüttelt verzweifelt den Kopf, da er das Gefühl hat, dass diese Anora ihm jedes Wort auf der Zunge umdreht. Ihm Wörter in den Mund legt. Er presst die Lippen fest aufeinander. Er wird sich nicht die Blöße geben, ihr von seinen Dämonen zu erzählen.
Bitte... geht.
Ich kann nicht.
Spricht sie aus und bewegt sich kein Stück.
Aiden, ich mag Euch nicht besonders. Ich vertraue Euch nicht. Aber ich denke,... ich glaube, dass Ihr kein schlechter Mensch seid. Und deshalb solltet Ihr nicht gezwungen sein Euch zu töten.
Das mag seltsam für Euch sein, aber so ist es eben. Ich halte dem Kodex den ich einst geschworen habe die Treue, auch wenn es niemand verlangt.
Auch wenn ich ihn in all der Zeit vergessen zu haben scheine. Anora setzt sich sachte aufs Bett.
Ich will Euch helfen.
Aiden seufzt geschlagen auf und nimmt die Hand von der Klinke. Dennoch nähert er sich Anora nicht. Er bleibt an der Wand stehen, fast als hätte er Angst davor, sich auch nur ein kleines Stück zu bewegen, und fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht.
"Denkt Ihr, da seid Ihr die Erste, Miss? Ich bin keiner, der so schnell aufgibt und ich werde auch nicht so schnell aufgegeben. Aber nach sieben Jahren, in denen ich kaum mehr schlafe, mitten in der Nacht aus Albträumen aufwache, um festzustellen, dass ich nicht mehr dort bin, wo ich mich schlafen gelegt habe, das verändert Ansichten. Das hat mich verändert."
Albträume... Etwas sehr bekanntes. Aber Aidens Albträume scheinen von anderer Natur zu sein. Zumindest wenn sie die Teile dieses Rätsels bisher richtig zusammengelegt hat. Sie tätschelt die Seite des Betts neben sich als Aufforderung.
Erzählt mir von diesen Albträumen und Vorfällen.
Ich bin kein Mediziner,... aber vielleicht kann ich Euch dennoch helfen.
Aiden seufzt erneut. Doch dann scheint er sich geschlagen zu geben und läuft vorsichtig, auf jeden Schritt achtend, zu ihr hinüber. Er setzt sicheren sie, schweigt jedoch, während er auf seine Hände blickt und seine Gedanken sich drehen. Dann urplötzlich lacht er auf, als ihm ein Gedanke kommt.
"Gewiss könnt Ihr mir helfen, Miss."
Sein Blick gleitet über ihren schlanken, zierlichen Körper, der trotz der Stoffschichten gut zu auszumachen ist. Und auch wenn in seinen Augen dabei kein Funke der Begeisterung oder Vorfreude aufspringt, legt er seine Hand ziemlich weit oben auf ihr Bein.
Anora blickt Aiden durchaus interessiert und hilfsbereit an. Zumindest so weit bis er seine Hand auf ihr Bein legt. Dann geht alles sehr schnell. In ihrem Gesicht zuckt es und ihre Hand fährt herum um ihm mit voller Wucht eine Ohrfeige zu verpassen.
DAS MEINTE ICH DAMIT AUF JEDEN FALL NICHT!
Aiden presst die Kiefer schmerzhaft zusammen, als Anoras Hand ihn trifft. Aber was soll's. Besser, sie hält ihn für ein Arschloch, als für Heilbar.
"Komm schon, Miss."
Ohne sich abwimmeln zu lassen, wandert seine Hand noch weiter hoch. Seine andere streicht sanft ihr Haar zurück.
Sie weiß nicht was er erwartet hatte. Vielleicht auch gerade das Folgende, den obwohl Anora vor Peinlicher Berührung rot anläuft, ist ihr Widerwille um einiges stärker. Sie holt mehrfach aus und schlägt zu. Nicht einmal, zweimal, dreimal, nein so oft wie Aiden sich noch in Reichweite befindet schlägt sie ihm mit den Fäusten ins Gesicht.
Sicher hat sie nicht die Stärke von Chiara, aber andererseits ist sie auch nicht vollkommen wehrlos.
LASS MICH IN RUHE!
Dabei versucht sie auf zu springen und Abstand zu gewinnen.
Tatsächlich sind Anoras Schläge nicht sonderlich fest, zumindest hätte Chiara mit einem Schlag vermutlich mehr erreicht als Anora nach einigen Minuten. Dennoch gibt Aiden sich geschlagen und reibt sich den Kiefer.
"Ihr kommt mitten in der Nacht in mein Zimmer, Miss, und wehrt mich dann ab, wenn ich Eurem erkennbaren Beweggrund nachkomme?"
Die Worte kommen gezwungen heraus, aber er schafft es, sie möglichst selbstgefällig klingen zu lassen.
Anora achtet darauf einige Schritt Abstand zwischen sich und Aiden zu haben um genügend Zeit zum reagieren zu haben. Was für ein ekelhafter Scheisskerl! Möge er sich doch das Hirn wegpusten, Chiara ist auf jeden Fall besser dran ohne ihn.
Dafür bin ich nicht hergekommen!
Und dafür lass ich mich bestimmt nicht benutzen!
Habt Ihr nichts anderes im Sinn?!
"Bis eben wollte ich mich noch umbringen, danke der Nachfrage. Und jetzt verschwindet endlich!"
aufgebracht deutet Aiden auf die Tür, glaubt, sie nun endlich los zu sein. Was will sie auch bei so einem Ekelpaket, wie er sich gerade aufgeführt hat.