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Raik seufzt tief und setzt Sven wieder auf den Zaun.
Raik ist nicht gut in solchen Dingen. Rowan hätte es bestimmt anders gesagt.
Er steht etwas unbeholfen da.
Rowan mag euch beide. Es verbindet ihn etwas mit dir, Sven, etwas, das ich nicht ganz verstehe. Und vermutlich auch er selbst nicht. Aber lasst ihm Zeit, das alles zu regeln. Er ist ja nicht weg. Aber er wird jetzt nicht los stürmen und mit dir nach dem suchen, was dir fehlt.
Ach, schon gut.
winkt Sven ab und erklimmt ungefragt Tilias Schulter, als der grosse Kerl ihn wieder absetzt.
Wir brauchen nicht weiter darüber zu sprechen, in Ordnung? Es ist.. wie es eben ist.
Der kleine Kerl tut ihr zunehmend leid. Er wird mit der Zurückweisung so gut es geht fertig. Sie hat irgendwie das Bedürfnis ihn zu streicheln, oder sogar zu umarmen, was in dieser Situation in welcher Sven gerade den großen, starken Kerl mimt, vollkommen unpassend ist.
Sie lenkt ihren Kopf wieder in Richtung Raik, mit bittenden Augen.
Sven hat Recht. Es wurde jetzt genug gesagt. Lassen wir alles erst einmal auf sich ruhen.
Raik nickt. Dafür hätte es den flehenden Ausdruck in Tilia Cales Gesicht nicht gebraucht. Mit Worten kann man vieles nur noch schlimmer machen. Mit ein Grund, weshalb er für gewöhnlich nicht viel sagt, selbst wenn er dazu sehr wohl in der Lage wäre.
Tut mir leid.
brummt er noch wahrheitsgemäss, dann wendet er sich ab und geht. Er hat gesagt, was er sagen sollte. Alle wissen Bescheid. Sein Auftrag ist erfüllt.
Svens Herz fühlt sich bleischwer an. Schon als er Rowan vorhin mit Darren gesehen hat, wusste er, dass es so kommen wird. Aber dennoch fühlt es sich an, als hätte sich Raik gerade auf ihn drauf gesetzt und drei mal laut gepupst.
Danke Tilia, das war sehr lieb von dir.
Das war doch gar nichts.
Tilia schüttelt ihren Kopf, so dass ihr Pferdeschwanz baumelt. Sie schreckt hoch als das Kleid in ihrer Hand ihr gewahr wird.
Ohje, das kann ich doch dann von Rowan nicht annehmen. Ich gebe es Raik schnell wieder.
Hey!
protestiert Sven und verzieht seine Schnauze zu einem feinen Lächeln.
Das Kleid gehört mir, nicht Rowan. Und ich will es dir schenken. Er hat mir nur geholfen, es hier her zu bringen, weisst du.
Oh...
Sie sieht noch einmal auf das Kleid in ihren Händen. Das kommt von Sven? Sie muss zugeben, dass sie noch nie etwas derlei geschenkt bekommen hat. Kleidung hat sie bisher nur von ihren Eltern geschenkt bekommen. Und bis jetzt hatte sie auch nie ein Bedürfnis gehabt sich ein Kleid schenken zu lassen. Ihre Lippen kräuseln sich zu einem gerührten Schmunzeln.
Das ist... danke.
Das ist sehr aufmerksam von dir.
Sven springt von Tilias Schulter, verschwindet im Halsausschnitt des Kleides, rutscht im Stoff nach unten und schlüpft schliesslich am unteren Saum wieder heraus, wo er auf dem Boden sitzen bleibt und Tilia mit dem Kleid mustert.
Oh damit wirst du aussehen wie eine feine Dame!
Tilia zuckt gekitzelt zusammen als Sven sich durch den Stoff arbeitet und von außen nur als kleines, wandelndes Hügelchen erkennbar ist und schließlich unten wieder raus kommt.
Meinst du wirklich ich sehe damit wie eine feine Dame aus?
Fragt sie vorsichtig nach. Als 'Dame' hat sie sich noch nie gesehen. Nicht wie andere Mädchen oder ihre Schwester die sich viel um ihr Äußeres machen und schöne Kleider und Schuhe.
Sven nickt überschwänglich. Tatsächlich ist er froh, sich mit dem Kleid und Tilia ablenken zu können. Und solange er nicht daran denkt, weshalb er das Kleid eigentlich aus seiner Höhle geholt hat, tut sein Herz auch nicht ganz so sehr weh. Er kneift seine Augen etwas zusammen und versucht, sich Tilia mit dem neuen Kleid vorzustellen.
Ja natürlich, du bist doch ein hübsches Mädchen. Mit dem Kleid und.. naja.. ich könnte dir zeigen, wie du dein Haar noch etwas weicher kriegst.. dann verdrehst du den Männern bestimmt den Kopf.
Er entblösst grinsend seine Schneidezähnchen.
Auch deinem Preston. In der richtigen Situation natürlich.
Sie blickt verlegen zu Boden, ein schmunzeln umgeben von erröteten Backen. Noch nie hat jemand sie als hübsch bezeichnet. Naja, außer ihre Eltern natürlich. Sie streicht mit den Händen noch einmal über den Stoff. Sie kann es kaum erwarten es an zu probieren.
Das war sehr lieb von dir.
Noch nie hat ihr jemand geschmeichelt. Auch wenn es ein Hörnchen war.
Sie legt das Kleid zusammen und hockt sich hin um näher an Sven zu sein.
Was machst du jetzt?
Sie überlegt kurz.
Hat Raik nicht erwähnt, dass du irgendwohin wolltest?
Ja ich bin ja auch lieb. Meistens.
grinst Sven, doch bei Tilias nächster Frage senken sich seine Mundwinkel wieder.
Ich.. naja.. Also Rowan wollte mich begleiten, um.... ähm.. das ist eine lange Geschichte. Aber daraus wird ohnehin nichts, also..
Er scharrt mit der Hinterpfote auf dem staubigen Boden herum und setzt dann schliesslich den bemitleidenswertesten Blick auf, den ein Hörnchen so drauf hat.
Tilia? Hast du jemals... über ein Haustier nachgedacht?
Svens Antwort macht ihr ein schlechtes Gewissen. Sven hat mehr verloren als nur eine kleine Schwärmerei.
Über ein Haustier? Nein.
Sie hält Sven die flache Hand vor die Pfoten hin. Dabei lächelt sie so vergnüglich wie noch nie zuvor.
Aber über einen weiteren Freund würde ich mich sehr freuen.
Ja, schon gut, ich dachte nur, dass du..
stammelt Sven, nachdem ihm Tilia eine Abfuhr erteilt hat. Er hat das schon erwartet. Immerhin war er nicht gerade nett zu ihr gestern. Doch was sie dann sagt, bringt sein Lächeln wieder zurück und er hopst freudig in ihre Hand.
Wirklich jetzt? Ist das dein Ernst? Nimmst du mich mit? Also.. wohin eigentlich?
Vorsichtig erhebt sich Tilia wieder mit Sven auf der Hand. Sie freut sich für Sven mit und ist glücklich ihm etwas gutes tun zu können.
Zur Akademie in Malazien. Dort ist es wirklich wunderbar. Große Räume, viele Bücher... viele Bäume. Ich bin mir sicher, dort kann man dir auch helfen... also, nur wenn du willst. Die Direktorin wird dich nicht dazu zwingen, und ich auch nicht.
Malazien...
Sven denkt nach, während er mit dem Fuss hektisch auf Tilias Handfläche klopft, um sich besser zu erinnern.
Oh, das ist schon lange her, da war ich eine ganze Weile nicht mehr. Also...
Er schaut sich in jede Richtung um, selbst nach oben in den Himmel und grinst dann.
Ich habe kein Gepäck ausser dem Kleid da. Aber da du das jetzt ohnehin trägst, würde ich sagen: Vorsicht grosse Räume, Vorsicht Bücher und Bäume! Sven von Aviz kommt mit seiner Freundin Tilia und macht die Akademie unsicher!
Zu Tilias letzten Worten sagt er nichts. Noch bis vor einer halben Stunde hätte er sich nichts mehr gewünscht, als wieder seine menschliche Gestalt zurück zu bekommen. Aber jetzt? Wo Rowan ohnehin... jemand.. anderen.. hat? Wofür denn noch die ganzen Strapazen auf sich nehmen?
Tilia kommt bei diesem vorlauten Hörnchen richtiggehend ins kichern und hält sich schnell die Hand mit dem Kleid vor dem Mund. Hat sie gerade wirklich albern gekichert? Das kommt sicher nur von Lucias Einfluss. Sie reißt sich schnell wieder zusammen und hebt die Hand zu seiner Schulter damit Sven übersetzen kann.
Ich hab eine Mitbewohnerin mit der wirst du dich wahnsinnig gut verstehen.
Oder... naja, wenn nicht, dann beschütze ich dich vor ihr. Keine Angst, sie ist nicht gefährlich, nur sehr nervig.
Sven setzt sich bereitwillig auf Tilias Schulter und macht grosse Augen.
Wirklich? Du hast da eine Mitbewohnerin? Oh das ist toll, dann können wir Abends eine Pyjama-Party feiern. Also ihr. Mir passt ja keins. Aber ich habe mal Mädchen dabei beobachtet, wie sie das getan haben. Das sah spassig aus!
Nun stimmt auch Sven in das Kichern ein. Es war einfach zu komisch, wie die Mädchen schreiend in alle Richtungen gelaufen sind, als er versucht hat, sich mit ihnen anzufreunden. Damals war das sehr demütigend. Heute allerdings kann das Hörnchen drüber lachen.
In Gedanken versunken schreckt Darren zusammen und lässt den leeren Seesack fallen, schnell fängt er sich wieder und hebt diesen schnell wieder auf.
Er streicht sich noch einmal übers Haar und streckt den Rücken durch, sein Herz klopft schneller, da er hofft es ist Rowan der geklopft hat.
Langsam geht er zur Tür und strafft seine Schultern, ehe er sie langsam öffnet und in diese wunderschön vertrauten Augen blickt, unwillkürlich ziert ein Lächeln seine Lippen, das bis in seine Augen reicht.