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Svens erste Reaktion wäre es eigentlich, sich hastig wieder aus dem Staub zu machen. Doch was will ihm dieser Mensch schon tun, wo er doch gefesselt ist? Also bleibt das Hörnchen sitzen, wo es ist und krallt sich noch etwas fester an der Schulter des Mannes fest. Ganz langsam streckt es seinen Hals, bis erst die Barthaare, dann die kleine Stupsnase und schliesslich Svens Kulleraugen in Rowans Blickfeld treten.
Rowans Augenlider flattern mehrere Male, bevor er seine Umgebung wirklich wahrnimmt.
Wo...
Dann spürt er plötzlich etwas an seiner Wange und dreht den Kopf ruckartig. Dabei erwischt er Sven und stößt ihn von seiner Schulter.
Damit hat Sven nicht gerechnet. Der Fremde bewegt sich so schnell, dass das Hörnchen keine Möglichkeit mehr hat, sich festzuhalten. Es plumpst mit einem leisen Platscher ins seichte Wasser, strampelt wild mit den Beinchen, zieht sich dann an der Böschung hoch und schüttelt sich erst einmal wie ein nasser Hund. Dann betrachtet er den Fremden mit funkelnden Augen und schnüffelt in dessen Richtung, sagt aber nichts. Muss ja nicht gleich jeder wissen, dass er sprechen kann.
Rowan ist nur noch verwirrter.
Verdammt, was haben die mir eingeflößt?
Am liebsten hätte er jetzt seinen Kopf in das kalte Wasser getaucht, doch das ist ihm mit den angelegten Fesseln nicht möglich.
Verdammte Scheiße, was ist nur passiert?
Er schließt die Augen und versucht, sich am irgendetwas zu erinnern, doch da... ist nichts mehr.
Sven geht so weit als möglich auf den Fremden Herren zu, setzt sich ans Ufer und legt den Kopf schief. Dann zuckt er mit den Schultern. Woher soll er auch wissen, was passiert ist? Das müsste der Gefesselte selbst wohl besser wissen...
Rowans Blick fällt auf das Eichhörnchen und seine Augen weiten sich vor Überraschung.
Verdammt! Was haben die mir gegeben? Jetzt haluziniere ich schon... Und rede mit mir selbst. Verdammte Scheiße...
Er schüttelt mehrere Male schnell den Kopf, wie um einen schlechten Gedanken zu verscheuchen. Dann dreht er den Kopf so weit, wie es geht ohne vor Schmerzen aufzuschreien und reißt dann an den Fesseln, auch wenn ihm dies nur noch mehr Schmerzen verursacht. Jedoch hört er zumindest damit auf, mit einer Halluzinationen oder sich selber zu sprechen.
Das Eichhörnchen sieht den Fremden noch immer aufmerksam mit grossen Augen an. Es beobachtet, wie der schöne junge Mann vergeblich an seinen Fesseln zerrt und schliesslich aufgibt. Zwei Atemzüge lang zögert Sven. Dann öffnet er den Mund.
Ja ich dachte mir schon, dass Ihr nicht mit mir sprecht. Woher soll ich auch wissen, was geschehen ist oder was sie Euch gegeben haben? Wenn jemand mit einem Eichhörnchen spricht, dann würde er es doch vermutlich eher darum bitten, die Fesseln durch zu beissen, nicht wahr, mein Herr?
Rowan seufzt. Was zur Hölle? Jetzt redet die Halluzination auch noch mit mir... Rowan erwidert nichts. Er weigert sich stets, die Wirklichkeit seines Gegenüber anzuerkennen. Stattdessen zieht er weiter an der Fessel.
Naja, ich dachte ja nur... Sagt einfach Bescheid, wenn Ihr eingesehen habt, dass Euer Ziehen und Zerren nichts bringt.
Sven dreht sich um und durchforstet das Laub unter den nahegelegenen Bäumen nach Nüssen oder anderen Leckereien, lässt den Fremden dabei aber nie aus den Augen.
Rowan ist stets gewillt, seine Halluzination zu ignorieren. Er schafft es mit Mühen, sich aufzurichten und zieht dann nur noch verstärkt an den Fesseln. Seine Handgelenke sind bereits rot und aufgerieben, seine Armmuskeln schmerzen höllisch. Schließlich sieht er ein, dass er die Fesseln selber nicht lösen werden kann, vor allem, da seine Waffen irgendwie abhanden gekommen sind. Er blickt sich hilfesuchend um, kann aber nicht weit in den Wald hinein sehen.
Verdammte Scheiße...
Sven.
berichtigt Sven, während er sich eine Nuss in die Backentasche schiebt, was sein ganzes Gesicht schrecklich asymmetrisch aussehen lässt.
Was?
Rowan fährt zu ihm herum und blickt völlig entgeistert zu ihm hinab.
Mein Name ist Sven.
Das Hörnchen sieht Rowan auffordernd an.
Das wolltet Ihr doch sagen, nicht wahr? Oder flucht Ihr tatsächlich lieber laut im Wald herum, anstatt Euch helfen zu lassen, mein Herr?
Einen Moment ist er völlig aus der Fassung, doch dann lacht Rowan nur auf.
Mir helfen lassen? Von meiner Halluzination, dem sprechenden Eichhörnchen! Ja, sicher...
Es knackt im Unterholz hinter Sven und er fährt herum. Nichts zu sehen. Keine verrückte Hirschkuh. Keine Vögel, die nach seinem Leben trachten. Trotzdem schwankt er leicht und taumelt rückwärts zurück zum See. Ein paar Atemzüge lang hält er inne, dann dreht er sich wieder zum Fremden um.
Eure Entscheidung.. ich jedenfalls... mache mich gleich aus dem Staub. Ihr glaubt ja nicht, was in letzter Zeit in diesem Wald hier los ist... Da ist ein gefesselter Kerl noch das harmloseste, mein Herr.
Rowan schließt noch einen Moment die Augen, nickt dann aber schnell und ziemlich verzweifelt.
Na los, meine Lieblingshalluzination, erlöse mich!
Sven.
Berichtigt das Hörnchen, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann holt es Anlauf, springt dem Fremden auf die Schulter und klettert von dort aus - die Balance schön mit seinem buschigen Schwanz haltend - hinüber zu den ersten Fesseln.
Rowan lacht leise auf.
Oh, Entschuldige... Meine Halluzination hat auch noch einen Namen... Entschuldige, Sven!
Sven entgeht die offensichtliche Ironie in diesem Satz völlig.
Nicht der Rede wert..
Er krallt sich die erste Fessel und beginnt daran zu nagen. Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis die Fessel sich löst.
Hoppla.
Das erste, was Tilia hört, als die den Fuss des Abhangs erreicht hat, ist eine tiefe Männerstimme. Raik greift nach dem Kragen des Mädchens, das ihm da direkt vor die Füsse gekullert ist, und stellt es wieder auf die Füsse, als wiege es nicht mehr als die Feder eines Entenkükens.
Mein liebstes Clairechen möge mir diese winzige Planänderung verzeihen, aber ich wollte Tilia ned so lange alleine lassen, solange Sven und Rowan noch beschäftigt sind... ;) Hoffe, das ist ok. ^^