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Long... Du kannst mit mir darüber reden. Egal was es ist.
Sie drückt seine Hand sanft.
Ich bin für dich da!
Sie weiß druchaus wie schwer es sein kann, über seine Albträume zu sprechen. Vermutlich mehr als viele andere. Aber sie hätte nicht gedacht, dass Long dieses Gefühl ebenfalls kennt. Sie will ihm zeigen, dass sie für ihn da ist, dass er nicht alleine da durch muss. Egal was es ist. Denn dieses Gefühl hat er ihr damals auch gegeben.
Vielleicht.. später.
Er dreht den Kopf zu Lu und lächelt matt.
Dieser Ort hier.. wir sollten verschwinden, Lu.
Natürlich muss er ihr davon erzählen. Er will sie nicht abweisen, will diese Beziehung nicht mit einem Geheimnis beginnen. Mit etwas, das er ihr nicht sagen kann. Wie sonst könnte er von ihr verlangen, ihm alles anzuvertrauen? Aber gerade ist der Traum noch so frisch.. so real. Er presst die Kiefer zusammen.
Danke, Lu. Danke. Wirklich.
Chen Lu sieht ihn immernoch besorgt an und ist einem Moment leicht gekränkt, da er ihr nicht genug zu vertrauen scheint, um ihr zu sagen, was er geträumt hat. Jedoch schluckt sie diesen Gedanken schnell wieder herunter, denn sie hat ihm selber noch nichts von ihrem Traum erzählt und sie immerhin keine Ahnung hat, wie schlimm der seine war.
In Ordnung. Wir... sollten los.
Sie fährt sich mehrere Male durch die verwuschelten Haare und bändigt sie schließlich in einem Zopf. Dann blickt sie sich leicht panisch um, auf der Suche nach Dingen, die sie nicht vergessen sollten. Doch bis auf den Sack mit ihrem Ersatzgewand sind in diesem Raum nur eine Prische, auf der sie gerade sitzen, und sie selber. Sie blickt zu Long zurück und drückt erneut seine Hand.
Alles ist gut, Long...
Sagst du das gerade, um mich oder dich selbst zu überzeugen?
Long lächelt. Chen Lu wirkt plötzlich sehr nervös. Liegt es daran, dass er sie so unsanft aus dem Schlaf geweckt hat? Oder womöglich daran, dass sie eigentlich nicht gehen will? Er lässt ihre Hand nicht los, als er aufsteht, sondern zieht sie mit sich auf die Füsse.
Es IST alles gut, Lu.
Seine Stimme klingt sicher und bestimmt, als er sie an sich zieht und mit seinen Lippen vorsichtig die ihren berührt.
Chen Lu runzelt leicht die Stirn.
Beides vermute ich.
Dann wird sie auch schon von Long auf die Beine gezogen und ihre Lippen berühren sich sanft. Jedes Gefühl von Schwere fällt von ihr und sie zweifelt kein bisschen mehr daran, dass alles gut ist.
Ja, alles...
Sie löst sich leicht aber beruhigt lächelnd. Sie sieht Long einen Moment schweigend in die Augen, bevor sie zustimmend nickt.
Dann mal los in ein neues Leben...
In ein neues Leben ohne Zwänge. Ein Leben, das wir so leben werden, wie wir es für richtig halten. Wir beide und der kleine Omura.
Long streicht für einen kurzen Moment liebevoll über Chen Lus Bauch. Dann nimmt er ihre Hand.
Na los. Machen wir einen Abstecher über das Lazarett. Um dir einen Dolch zu besorgen. Ich will nicht, dass du dich ungeschützt fühlst.
Chen Lu lächelt zufrieden und hat nichts zu erwidern, außer dass sie sich selber einen Moment gedankenverloren über den Bauch streicht und Long einen Kuss auf die Wange gibt.
Wir beide und der kleine Omura. Das klingt großartig...
Sie nimmt seine Hand und gemeinsam verlassen sie das Zimmer in Richtung Lazarett. Wobei sie sich vorkommt, als wäre sie auf ihrem Weg zur Guillotine. Das alles hier sieht sie das letzte Mal. Liem hat sie das letzte Mal gesehen. Annan, auch wenn sie sie bisher nicht wirklich liebgewinnen konnte. Musashi... Sie drückt Longs Hand noch fester, ist jedoch fest entschlossen, ihre Meinung nicht mehr zu ändern.
Auch Long fällt es nicht leicht, diesen Schritt zu gehen. Doch im Gegensatz zu Chen Lu, hat er bis auf Musashi nichts mehr, was ihn zurückhalten würde. Alles, was ihm im Leben noch wichtig ist, ist an seiner Seite und wird mit ihm in die Berge reiten.
Im Lazarett ist etwas Ruhe eingekehrt. Viele der Verwundeten schlafen oder haben so viele beruhigende Kräuter intus, dass sie zumindest nicht mehr schreien. Long streift mit Chen Lu an den Pritschen vorbei. Überall verteilt liegen Rüstungen und weitere Kampfausrüstung, die bei der Behandlung von Wunden nur stören würde. So lässt sich auch ziemlich schnell ein Dolch finden. Long bückt sich und hebt ihn auf. Nichts besonderes, doch die Klinge ist gepflegt und scharf, der Schaft aus Knochen gefertigt. Er reicht den Dolch Chen Lu.
Hier... ist der in Ordnung?
Chen Lu nimmt Long den Dolch zögernd ab und betrachtet ihn einen Moment.
Ja, natürlich! Danke, Long.
Sie lächelt zu ihm auf und hockt sich dann hin, um den Dolch in ihrem Stiefel zwischen Futter und Leder zu verstauen. Dann richtet sie sich auf und greift nach Longs Hand, die sie sanft drückt.
Alles wird gut...
Long lächelt.
Alles wird gut.
Er streift weiter zwischen den Pritschen entlang, auf der Suche nach einem kleinen Dolch für sich selbst. Schliesslich hat er nicht die geringste Ahnung, wo sein Bogen und sein Schwert geblieben sind. Kaum ist er zwei Schritte von Chen Lu entfernt, legt sich eine warme Hand auf ihre Schulter. Musashi.
"Dame Yang.. Auf ein Wort..."
Chen Lu macht sich auf, Long zu folgen, als sie eine mittlerweile allzu bekannte Hand auf ihrer Schulter spürt. Sie blickt sich verwundert um und sieht noch einmal zu Long hinüber, nickt dann aber und wendet sich komplett Musashi zu.
Meister Musashi, wie kann ich Euch helfen?
Ein zaghaftes Lächeln liegt auf ihren Lippen.
Musashi verneigt sich tief.
"Ich urteile nicht über Eure Entscheidung. Doch lasst mich Euch eines sagen, wo ich Euch doch womöglich zum letzten mal sehe: Kehrt zurück. Sobald die Zeit reif ist. Nicht heute und nicht morgen. Womöglich auch noch nicht übermorgen. Zorn verraucht langsam aber stetig. Kehrt zum richtigen Zeitpunkt zurück und Ihr werdet mit doppelt so viel Freude empfangen werden, als Ihr nun mit Eurer Flucht Wut entfacht."
Chen Lu schweigt einen Moment und öffnet dabei mehrere Male den Mund, nur um ihn dann wieder zu schließen.
Ich denke nicht, dass... Ich meine... Ich danke Euch für diesen Rat, aber...
Sie weiß nicht recht, wie sie ihre Gedanken zum Ausdruck bringen kann.
Ich... Ich werde darüber nachdenken. Doch ich weiß nicht, ob ich zurückkommen kann, sollte der... Schmerz eines Tages vielleicht einmal nachgelassen haben. Versteht mich bitte nicht falsch... Aber ich verlasse jetzt meinen Bruder, mein einziges eigen Fleisch und Blut, das ich noch habe, um mit dem Mann, den ich liebe, ein neues Leben anzufangen. Ich lasse alles zurück, was ich kenne, außer Long. Und wenn ich das einmal hinter mir gelassen habe, dann denke ich, ist es noch schmerzvoller, daran erinnert zu werden. Nicht dass ich irgendeinen Tag meines Lebens meinen Bruder nicht vermissen werde...
Sie streicht sich mit beiden Händen übers Gesicht, als wöllte sie diese Gedanken zumindest für eine Weile verbannen.
Ich werde über Euren Rat nachdenken, Meister. Danke...
Musashi lacht leise.
"Schmerz geht vorbei. Auch der Eure, Dame Yang. Und wenn es soweit ist, werdet Ihr meine Worte verstehen, da bin ich mir sicher."
Er zwinkert, verneigt sich erneut und will sich gerade zum Gehen wenden, als ihm noch etwas einfällt.
"Oh und tut einem alten Mann wie mir einen Gefallen und passt mir auf diesen Bengel auf, Dame Yang. Ich habe ihm das kopflose, leidenschaftliche Handeln niemals gänzlich austreiben können. Aber wer wüsste das besser als Ihr, Mylady.."
Das hoffe ich sehr... Ich danke Euch, für alles...
Sie verneigt sich ebenfalls leicht und will bereits Long hinterher gehen, als Musashis Worte sie noch einmal bremsen.
Ich würde für diesen Bengel, wie Ihr ihn nennt, mein Leben geben, Meister Musashi. Das sollt Ihr nur wissen. Ich werde auf ihn aufpassen, mit allem, was ich habe.
"Schön. Dann brauche ich mir keine Sorgen zu machen."
Musashi lächelt.
"Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Euch Lebewohl zu sagen."
Er verneigt sich erneut und geht dann davon.
Chen Lu blickt Musashi noch einen Moment ein wenig wehmütig hinterher und sieht sich dann nach Long um. Sie geht zu ihm hinüber und lehnt sich einen Moment erschöpft gegen seine Schulter. Sich auch noch von Musashi zu verabschieden hat sie mehr getroffen, als sie es erwartet hatte. Doch dann blickt sie zu Long auf und lächelt sanft oder traurig.
Bereit?
Bereit, wenn du es bist.
Long steckt den Dolch ein, den er gerade eben gefunden hat und richtet sich auf.
Du nimmst doch Nael mit, nicht wahr?
Ja!
Chen Lu senkt einen Moment beschämt den Blick. Sie hatte mal wieder gesprochen, bevor sie dachte. Aber Nael ist nun mal ihr Nael. Sie will ihn nicht zurücklassen, auch wenn er ja nur... ihr Pferd ist.
Also... Wenn es in Ordnung ist.
Long lacht und streckt Chen Lu seine Hand entgegen.
Aber natürlich! Dieses Pferd hat mir mehr als einmal das Leben gerettet... ich bin ihm zu Dank verpflichtet.