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Silas nickt zustimmend.
Na komm. Unser Leben geht hier weiter.
sagt er schliesslich lächelnd und führt sie weiter den Korridor entlang. Links und rechts gehen gefühlte hundert Türen ab, alle mit einer Zimmernummer. Hier und dort steht eine Tür offen und aufgeregtes Geschnatter ist zu hören. Koffer klappern, Kinder schreien und schliesslich erklingt das grosse Schiffshorn, gerade als Silas vor der Kabine am Ende des Korridors stehen bleibt und noch einmal die Zimmernummer überprüft.
Das hier ist es. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass wir uns eine Kajüte teilen.
Er stösst die Tür auf und gibt den Blick auf eine kleine Kabine frei. Sie beherbergt nicht viel mehr als ein Waschbecken und ein Stockbett, das auf beiden Etagen durch jeweils ein Bullauge gute Sicht nach draussen auf das emsige Treiben am Rosener Hafen bietet.
Keine Sorge, ich werde ohnehin nicht oft hier drin sein. Oben oder unten?
Shae grinst aufgrund der Zweideutigkeit seiner Frage, bevor sie sich jedoch wieder auf den aktuellen Sachverhalt konzentriert und mit dem Kopf auf das untere Bett deutet.
"Ich bleibe lieber nah am Boden."
Gut.
antwortet Silas schmunzelnd und legt ihre Tasche auf das untere Bett, ehe er seinen Seesack nach oben hievt. Inzwischen erklingt zum zweiten Mal das Schiffshorn und das Rattern der mächtigen Ankerkette ist zu hören.
Lass uns noch winken.
sagt Silas überraschend und öffnet die Kajütentür wieder.
Shae runzelte irritiert die Stirn.
"Wem denn?"
fragt sie, folgt ihm aber dennoch wieder aus dem kleinen Raum auf den Gang und nach oben.
Na Rosener. Das macht man so, wenn man seine Heimat verlässt.
antwortet Silas gut gelaunt und führt Shae wieder die Treppe hoch, diesmal in Richtung Schiffsheck. An Bord werden Befehle wild durcheinander gebrüllt und während die Alt Estoria bereits ein wenig an Fahrt gewonnen hat, hissen die Matrosen die Segel.
Silas lehnt sich gegen die Reling und lächelt Shae aufmunternd zu. Dann hebt er den Arm und winkt Rosener zu, das mit jeder Sekunde etwas weiter in die Ferne rückt. Und er ist durchaus nicht der einzige, der winkt. Am Hafen stehen unzählige Menschen, die dem Schiff hinterher winken und ihm so eine gute Reise wünschen.
Tami versteht diese Geste nicht ganz, stellt sich aber neben Silas, um ihrer Heimat zu winken, die sie für eine ganze Weile nicht mehr sehen wird. Ein wenig wehmütig wird ihr dabei schon. Aber auf eine gute Art wehmütig. Sie lächelt, als sie den Wind der Freiheit vom Meer zu ihr hinüber wegen spürt.
Silas und Shae bleiben stehen, bis Rosener schliesslich nicht mehr viel mehr als ein dunkler Punkt am Horizont geworden ist. Nichts könnte ihn nun weiter hier halten und er spürt, dass es Shae genauso geht. Wenn auch aus völlig anderen Gründen und zum ersten Mal in ihrem Leben.
Na schön, dann gewöhnen wir uns mal an das Leben an Bord. Und lass uns hoffen, dass keine zu starken Stürme aufziehen, während wir unterwegs sind.
Shae, die noch nie in ihrem Leben auf einem Schiff stand, findet das alles unheimlich aufregend. Auch wenn seine Worte sie bereits leicht schaudern lassen. Sind Stürme für solch große Schiffe überhaupt von Bedeutung?
Könntest du sie nicht zähmen mit deinen Kräften?
Silas kann ein überraschtes Auflachen nicht zurückhalten. Und als er Shae schliesslich ansieht, liegt aufrichtige Bewunderung und Anerkennung in seinem Blick. Er hätte nicht geglaubt, dass sie seine Kräfte bereits so durchschaut hat.
Du verstehst die Zusammenhänge wirklich schnell, Shae.
Er grinst breit und zuckt dann mit den Schultern.
Doch, das könnte ich vermutlich. Aber es ist wesentlich einfacher, eine leichte Brise anwachsen zu lassen als einen ausgewachsenen Sturm zu zähmen. Wie bei allem im Leben.
"Du bist ja ein wahrer Philosoph..."
Shae grinst und blickt dabei auf das weite Meer heraus, das vor ihnen ganz sanfte Wellen schlägt.
"Werde ich das auch können? Irgendwann?"
Ja, manchmal schnappt man einen klugen Satz auf.. im Laufe des Lebens.
Silas grinst noch breiter und seltsamerweise fühlt er sich nun, da sie Rosener verlassen, wieder wesentlich besser als noch zuvor. Frei. Und äusserst gut gelaunt.
Das kommt darauf an, ob du dich zur Alchemistin ausbilden lassen willst.
"Und davon hattest du bereits mehr als genug."
Shae lächelt schief und blickt zu Silas auf.
"Was hat es denn mit dieser Ausbildung so auf sich? Irgendwelche Haken?"
Haken? Kommt darauf an, was du als Haken bezeichnen würdest.
Silas stützt sich mit den Unterarmen auf die Reling und blinzelt gegen die Sonne an, als er Shae lächelnd von der Seite mustert.
Es gibt wie gesagt keine Schule, an welcher du das lernen kannst. Du musst wohl einfach einen Alchemisten finden, der in dir genug Potential sieht, um dich als Zögling aufzunehmen.
"Ach ja?"
hakt diese amüsiert nach.
"Und besteht denn die Möglichkeit, einem solchen Alchemisten zu begegnen?"
Sie stützt sich ganz nah bei Silas ebenfalls auf die Reling.
Klar, ich nehme dich schliesslich mit zum Hauptsitz der Gilde. Wenn du dort niemanden findest, dann wohl nirgendwo.
antwortet Silas gelassen und sieht wieder aufs Meer hinaus.
Versuch es bei Jemandem, der nicht bereits mehrere Zöglinge hat, wenn du wirklich vor hast, diesen Weg einzuschlagen.
"Wie viele Zöglinge hast du denn, größer Alchemist Silas da Rumata?"
fragt sie ganz nebenbei, als wäre es lediglich Recherche, was es ja insgeheim auch ist. Wäre sie denn bei ihm gut aufgehoben? Würde sie überhaupt jemand anderen wollen als ihn als Lehrer?
Silas lacht kurz auf, Shae zögert tatsächlich keine Sekunde. Aber genau das mag er so an ihr. Sein Blick ist noch immer hinaus auf den Horizont gerichtet, als er schliesslich schmunzelnd antwortet.
Ich habe bislang noch in niemandem ausreichend Potenzial gesehen.
"Und, dann stehen die Chancen wohl nicht gut für jemanden, der sich um eine Ausbildungsstelle bei dir bewerben möchte."
Shae lächelt zaghaft und unterdrückt ganz offensichtlich ein breites Grinsen, während sie aufs Meer hinaus blickt.
Wenn man mich zu überzeugen weiss, dann ist es im Prinzip nicht schwierig, mich als Meister zu gewinnen.
erwidert Silas noch immer schmunzelnd, bemüht sich aber, seine Worte möglich ernst und hart auszusprechen. Auch wenn er weiss, dass Shae ihn sofort durchschauen wird.
Shaes Augen leuchten begeistert auf.
"Ich schätze mich äußerst begabt in der Kunst der Überzeugen. Außer es geht um Liebe."
setzt sie dann nach kurzem Überlegen hinzu.
"Oder um meine Mutter."