Über weite Strecken der Provinz erstreckt sich hohes Gebirge. Nur vereinzelt findet man irgendeine Form der Vegetation, vor allem der Westen des Landes ist eine einzige, steinige Einöde. Die heiße, trockene Luft macht es für viele Wesen fast unerträglich. Und doch gibt es einige, die dort überleben können - Drachen und alle anderen, etwas kleineren Echsenarten, mitunter angeblich auch der ein oder andere Zwerg und Oger. Doch ganz weit im Nordwesten der Insel, tief im Gebirge, wo es auf den Gipfeln der gigantischen Felsen unerträglich schwer fällt, zu atmen und wo die Sonne ungehemmt auf die Häupter herunterbrennt, findet man keine dieser Wesen.

Wälder, Pflanzen - Wein, der Wein für den Pisar so berühmt ist, der so wunderbar gedeiht an den Südhängen des Gebirges bis hinunter zum Meer und auf der anderen Seite des Meeres an den Hängen Malaziens, das den Ring um Pisars Süden bildet - Wälder und Pflanzen und nur die stärksten und größten Drachen haben dort eine Überlebenschance.

Doch es gibt Gestalten, die in diesem Land noch unbekannt sind, noch nie gesehen wurden. Und wenn sie gesehen wurden, so wirkte es einfach wie ein Schatten, den man sich eingebildet hat. Ein kurzer Wolkenfetzen, der an der Sonne vorbeirauschte und sich danach in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Eine Einbildung eben. Nichts spannendes.

Und dann gibt es Gestalten, die dort einmal gelebt hatten und ausgestorben sind. Oder zumindest als solches vermutet wurden - vielleicht waren sie auch nur vertrieben, ins Exil gegangen und würden wiederkehren, wenn die Zeit reif ist. Wenn sie wiedererstarkt wären.

Vielleicht auch Wesen, die sich schlicht und ergreifend einen anderen Platz suchen mussten, weil Nahrung knapp wurde - und andere Tiere oder Pflanzen immer mehr zugrunde gingen oder diese Region mieden.

Wer könnte all diese Rätsel lösen - oder...gibt es überhaupt einen Grund oder den Bedarf, so etwas zu lösen?

All diese Gedanken gingen dem armen alten Elb wohl gerade durch den Kopf, als er einen engen, so einsam wie furchteinflößenden Trampelpfad entlangschlich. Es dämmerte bereits und er musste sich langsam eingestehen, dass er sich weit, sehr weit verlaufen hatte. Wie sollte er auch den Weg zurück finden bei all diesen dunklen, labyrinthartigen Gängen, die sich zwischen den scharfkantigen und bedrohlich in die Höhe rangenden Felsen hindurchzogen. Wie Zähne, die ihn zu verschlingen drohten.

Jeder Windhauch, jeder noch so kleine Luftzug oder Stein, der sich regte, steigerte die ohnedies schon unermessliche Nervosität in ihm. Ein Elb, der sich verläuft und der Angst hat in der Wildnis? Er muss wirklich alt geworden sein.

- Klack - Ein stein fällt irgendwo unweit von ihm auf den Boden. - Klack - Der nächste Stein. Er dreht sich um. Ein Schatten huscht vorüber. Erneut wirbelt er herum. Der nächste Schatten. Diesmal nur in seinen Augenwinkeln.

Was ist das? Ist da wer? Er will rufen, doch die Stimme bleibt weg. Das Herz pocht ihm bis zum Hals. Verdammt, wo ist er hier hingeraten? Was ist das? Ist da wer? - Klack - wieder ein Stein. Oder sind das keine Steine?

Der alte Elb zittert, kann sich kaum auf den Beinen halten, so wacklig sind sie. Er spürt wieder einen Luftzug. Er dreht sich einmal im Kreis, sieht nach oben - da ist nichts. Was ist das? Ohne weiter zu überlegen und von schierer Panik ergriffen, rennt er los.

Er rennt und rennt, der Weg scheint sich nicht zu gabeln, eine lange, endlos lange zwielichtige Gasse.

Er hört nichts, sieht nichts vor lauter Panik.

Rumms, plötzlich taucht eine Felswand auf. Also doch eine Gabelung. Das Grau der kahlen Felsen ist kaum vom Boden zu unterscheiden. Der Elb wankt kurz, schüttelt den Kopf und versucht weiterzurennen. Doch er gerät ins Stolpern und fällt unsanft zu Boden. Einige Steine bohren sich in seine Knie und in die Hände, mit denen er den Sturz abzufangen versuchte.

Dunkelheit umfängt ihn, er kann das Gewicht seines Oberkörpers nicht halten und sackt zusammen. Er spürt nichtmehr, wie sein Gesicht auf dem steinigen Weg aufschlägt und ihm das warme Blut über Stirn und Wangen rinnt.

~ Fortsetzung folgt ~