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Erneut schließt Shae das Buch mit dem Lesezeichen zwischen den Seiten.
Er hat sich von einer Klippe gestürzt. Angeblich hat sein Aufprall eine Überflutung der umliegenden Strände verursacht.
berichtet Shae und senkt den Blick auf ihre Hände.
Er war allein am Ende. Vielleicht... Vielleicht können wir zumindest das irgendwie verhindern.
Von der Klippe gestürzt..
wiederholt Silas nachdenklich und stützt die Ellbogen auf seinen Oberschenkeln auf.
Wir MÜSSEN das verhindern, Shae. Unbedingt. Ich weiss nur noch nicht wie. Hoffentlich ist sie jetzt wieder bei Sean, als ich gestern gegangen bin, hat sie sich in der Höhle verkrochen, wo sie früher gelebt hat. Glücklicherweise ist dort weit und breit keine Klippe.
Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dir zu helfen, Silas.
erklärt Shae und greift sanft, jedoch ohne zu zögern nach Silas' Arm und schließlich nach seiner Hand.
Vielleicht solltest du momentan darüber hinweg sehen, wie schwer es für euch beide sein muss, einander zu sehen, und erstmal sicher stellen, dass... ihr euch auch in ein paar Jahren noch sehen könnt. Und wenn du noch immer nicht gehen willst, dann lass much gehen. Ich würde alles tun, um dich nicht länger leiden zu sehen, Silas.
Ich weiss. Danke, Shae.
Er drückt Shaes Hand und lächelt, wenn auch etwas betrübt.
Pass mir gut auf den Elben auf. Bis später.
Und mit diesen Worten steht er auf, um sich erneut auf den Weg zum Haus seines Bruders zu machen.
Shae lächelt ihm zufrieden, aber auch ein wenig besorgt hinterher. Sie würde sich, wenn es nur Silas dadurch besser gehen würde, erneut Tamis Wut und Seans blöden Sprüchen ausstzen. Aber sie versteht, dass Silas das selbst machen muss. Also versucht sie sich wieder auf ihr Buch zu konzentrieren.
Dunkelheit umgibt Maurice. Eine seltsame Kühle liegt auf seiner Stirn und in der Ferne vernimmt er hin und wieder leises Rascheln. Es klingt wie.. ja.. eine Buchseite die umgeblättert wird. Ist er bei Sinnen oder ist das hier ein Traum? Sein Kopf jedoch brummt wie ein Bienenstock und es fällt ihm schwer, auch nur einen einzigen, klaren Gedanken zu fassen. Nein, das hier ist sicher kein Traum. Der Schmerz ist echt. Und der schreckliche Durst in seiner Kehle auch.
Wie so oft in den letzten Stunden hat Shae das Lesen aufgegeben und stattdessen den Patienten beobachtet. Würde er dies wahrnehmen, würde sie sich wirklich zu Grunde schämen, doch so... genießt sie seinen verbotenen Anblick.
Maurice versucht, Leben in seinen Körper zu bringen. Er schreit innerlich nach Wasser, will sich bemerkbar machen, doch die Dunkelheit ist zu dicht. Mehr als ein schwaches Seufzen entrinnt seinen Lippen nicht, als er mit geschlossenen Augen den Kopf auf die unverletzte Seite dreht, als würde er einer Stimme aus einem Traum folgen.
Shae schreckt zusammen und wendet abrupt den Kopf ab, als sich der Patient, Maurice, plötzlich zu bewegen scheint. Nein, nicht nur scheint. Er tut es tatsächlich. Sein Kopf ist nun etwas gedreht und... War das ein Seufzen? Schnell springt Shae auf und redet Witsch auf ihn ein, während sie erneut seine Stirn und seine Wunden betrachtet.
Willst du... Willst du mir irgendetwas sagen? Brauchst du etwas?
Satzfetzen.. nein.. nur einzelne Worte dringen an das Ohr des Elben. Er ist sich nicht sicher, ob sie reine Einbildung sind oder tatsächlich existieren. Er könnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob er noch lebt und wenn dem so wäre, ob er in einem Wachzustand oder in ohnmächtigen Traumwelten aus finsterster nebulöser Dunkelheit weilt. Wasser! schreit er innerlich erneut und auch diesmal hört er von seiner Stimme nicht mehr als ein leises Keuchen.
Seine Muskeln fühlen sich taub an und sein Körper gehorcht ihm nicht, was ihn zunehmend mit Angst erfüllt. Und auch sein Geist scheint zu einem dicken, verklumpten Brei geworden zu sein, aus dem nur noch wenige Gedanken klar hervortreten.
Shae gerät zunehmend in Panik.
Mab!
ruft sie, ist sich jedoch nicht sicher, ob die Alchemistin noch irgendwo in der Nähe ist. Der Patient keucht erneut, doch sie weiß nicht, was sie damit anfangen soll. Kann er nicht einmal im Traum reden oder so? Oder ist... Ist sein Hals dafür zu rau? Kann sie ihm einfach etwas zu trinken geben, oder würde sie damit Gefahr laufen, ihn zu ersticken? Ist er denn in der Lage, zu schlucken?
Was ist? Was ist?
Mab stürzt wenig später durch die Türe hinein in die Gewächshäuser und läuft auf Shae und ihren Patienten zu.
Was ist passiert?
Ich weiß es nicht. Er keucht und hat den Kopf gedreht, als reagiere er auf etwas oder bräuchte etwas. Kann ich ihm irgendwie zu trinken geben oder wäre das zu gefährlich?
fährt Shae Mab panisch an. Was ist, wenn Maurice etwas passiert, während sie auf ihn aufgepasst hat?
Mab schürzt die Lippen und betrachtet den Reglosen einen Moment.
Hat er die Augen nicht aufgemacht?
fragt sie gut gelaunt und beugt sich zu Maurice hinunter, um ihn sich genauer anzusehen.
Nimm mal den feuchten Lappen aus der Schüssel und tupf damit über sein Gesicht. Ich will sehen, ob er reagiert.
Nein, hat er nicht.
erwidert Shae, ist sich plötzlich aber gar nicht mehr so sicher. Hat er und sie hat es verpasst?
Schnell greift sie nach dem Lappen und beginnt an seiner Stirn, ihn vorsichtig mit dem Kühlen Lappen abzutupfen.
"Keucht.. Kopf... trinken.." Einzelne Worte dringen zu Maurice durch und er sieht dunkle Umrisse, Schatten, die sich vor seinen noch immer geschlossenen Augen bewegen. Innerlich zuckt er zusammen, als er plötzlich eine Berührung an seiner Stirn spürt. Sein Körper zeigt hingegen keine Reaktion.
All die Worte hören sich an, als steckte sein Kopf bis zum Hals in einer Schüssel voller Wasser.. Wasser... Jemand streicht ihm die Haare zurück und etwas kühles, nasses berührt seine Haut. Erst seine Stirn.. seine Wangen.. und endlich.. seine Lippen. Mit aller Kraft öffnet er den Mund ein Stück weit und seufzt erneut. Diesmal klingt es fast schon erleichtert.
Doch, er hat Durst, hast du das gesehen?
fragt und behauptet Shae zugleich und läuft sogleich los, um ein Glas Wasser zu holen.
Er hat die Lippen weiter geöffnet, hat geseufzt, als würde die Kühle an seinen Lippen guttun.
Dann lass es uns versuchen!
antwortet Mab begeistert, runzelt aber die Stirn, als ihr seine gebrochenen Rippen wieder einfallen.
Das wird jetzt ein wenig weh tun, aber ihr Elben seid ja zäh..
Als Shae mit einem Glas Wasser zurückkehrt, legt Mab ihre Hände bestimmt an Maurices Schultern, richtet seinen Oberkörper ein wenig auf und stützt ihn.
Versuch es.. ganz langsam.. nicht, dass er sich verschluckt.
Shae kommt Mabs Aufforderung mit größter Sorgfalt nach. Sie hält Maurice Mund ganz sanft offen, während sie ihm nur in ganz winzigen Schlucken Flüssigkeit zukommen lässt.
Maurices Atem verändert sich, kaum hat Mab seinen Oberkörper angehoben. Ein stechender Schmerz jagt durch seine Seite und er bekommt im ersten Moment kaum mehr Luft. Was zur Hölle geht hier vor? Doch dann verändert sich alles. Plötzlich spürt er wieder kühle Nässe an seinen Lippen und der Durst überdeckt seinen Schmerz mit Leichtigkeit.
Und so bleiben Shaes Bemühungen nicht unbelohnt. Es dauert zwar eine Weile, doch der Kehlkopf des Elben bewegt sich eindeutig, als er den ersten, winzigen Schluck Wasser trinkt.