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Samson knallt genervt die Tür hinter sich zu und verlässt das Etablissement, in welchem er jetzt über zweihundert Jahre gearbeitet hat. Erschreckend, wie schnell man ersetzbar wird, selbst mit so viel Erfahrung, wie er sie dank seines langen Vampirlebens besitzt. Ist das nun die Rechnung dafür, dass er sich niemals mit der Etablissement-Besitzerin Tinka eingelassen hat? Zumindest sein Nachfolger scheint der Elfe jeden Wunsch von den Augen abzulesen, Tinkas glockenhelles Gelächter ist bis nach draussen zu hören.
Der Vampir gibt einen knurrenden Laut von sich und dreht sich schwungvoll um. Die Gasse ist menschenleer, obwohl die Sonne noch nicht ganz hinter dem Horizont verschwunden ist und die Hausfassaden in fast schon romantisch rötliches Licht taucht. Vermutlich hat die unheimliche Stille mit den wirren Gerüchten zu tun. Es soll gestern einen Angriff auf eine Frau gegeben haben, der nicht nur deren Augen, sondern auch zwei Häuser beschädigt hat. Samson kümmert das wenig. Er ist schliesslich weder Heiler, noch von den Milizen.
Er denkt nur an das Mädchen, das vor zwei Tagen zufällig in sein Leben gestolpert ist. Welches es dann dank seines Bruders aber auch ebenso schnell wieder verlassen hat. Und daran, dass er schnell eine Arbeit finden muss, wenn er nicht zu Silas gehen und betteln will.
Als Samson seine Wohnung betritt, kommt er nicht umhin zu bemerken, dass sie nicht so leer ist wie noch vor ein paar Stunden, als er sie verlassen hat. Kathryn hat es sich jedoch keineswegs bequem gemacht in der Zeit, in der sie auf ihn gewartet hat, sondern steht noch immer reglos im Raum, Samson betrachtend, als er eintritt.
Samson schliesst die Tür auf und betritt sein schäbiges, kleines Zimmer. Im ersten Augenblick bemerkt er nicht einmal, dass er nicht alleine ist. Er streift seine Schuhe ab und richtet sich wieder auf, prallt vor Schreck mit dem Rücken gegen die Tür und starrt Kathryn einen Augenblick lang entgeistert an. Dann fasst er sich wieder und lacht seinen Schrecken weg, während er sich mit der Hand verlegen das Haar aus dem Gesicht streicht.
Oh Himmel, ich wusste nicht, dass jemand... Verzeihung, habt Ihr Euch.. womöglich in der Tür geirrt?
Nicht, wenn vor einem Tag eine Frau mit schwarzem Haar in eben diesem Zimmer übernachtet hat.
Kathryn blickt ihn völlig ausdruckslos an.
Samson, richtig?
Samsons Augenbrauen schiessen in die Höhe, während er Kathryn einen Augenblick regungslos anstarrt, als müsste er ihre Worte erst in Gedanken sortieren. Natürlich weiss er, wer mit dieser Frau gemeint ist. Aber das muss man ja nicht gleich jedem auf die Nase binden.
Ich weiss nicht, worauf Ihr hinaus wollt, aber..
Er geht einen Schritt auf Kathryn zu und streckt ihr höflich die Hand entgegen.
Ja, Samson. Sehr.. erfreut.
Das glaube ich kaum.
meint Kathryn und lässt dabei offen, ob sie seine Freude oder seine Unwissenheit meint. Sie blickt auf deine Hand hinunter, die er ihr entgegenstreckt und nimmt sie zwischen die ihren, wie eine Großmutter es wohl tun würde. Aber davon hat Kathryn keine Ahnung. Stattdessen hebt sie jetzt ihre Hand, um sie an seine Schläfe zu legen.
Ohne bewusst darüber nachzudenken, weicht Samson ein Stück zurück und greift lächelnd nach Kathryns Handgelenk. Das geht ihm dann doch etwas zu schnell.
Verzeihung, ich weiss nicht, was Claire Euch erzählt hat, aber ich bin keiner... dieser Männer.
Was für Männer?
fragt Kathryn amüsiert, auch wenn es nach außen nicht durchdringt.
Ich suche nicht nach einem Mann. Nur nach Euch. Was wisst Ihr über Claire?
Naja einer dieser Männer, zu welchen man gehen kann, um..
Er hält inne und sieht Kathryn verwirrt an, fängt sich aber schnell wieder und setzt ein charmantes Lächeln auf.
.. Nähe zu finden, wenn man sie begehrt.
Wer dieses Mädchen da vor ihm auch ist, sie ist in etwa so lesbar wie heimliche Gedanken bei Nacht. Und er hat noch immer nicht die geringste Ahnung, weshalb sie hier ist.
Ich weiss nichts über Claire. Ich meine ich kenne sie.. flüchtig. Und sie war auch hier, das ist richtig. Aber mein Bruder ist besser mit ihr bekannt. Wenn Ihr Informationen sucht, dann fragt Ihr besser ihn.
Ich suche keine Nähe.
meint Kathryn leicht irritiert und führt ihre Hand erneut in Richtung seiner Schläfe. Sie muss wissen, was er weiß. Dabei hat er trotz seiner Vampirnatur keine Chance gegen ihre Kraft als Engel.
Ich werde Euch sogar einen Gefallen tun und Eure Erinnerungen an sie auslöschen. Dann müsst Ihr Euch nicht mehr die ganze Zeit fragen, warum sie jetzt nicht mehr bei Euch ist.
Samson lässt zu, dass sie seine Schläfe berührt, versucht aber bei ihrem nächsten Satz ihre Hand zur Seite zu schlagen und sich zu ducken. Er hat keine Ahnung, ob sie ernst meint, was sie da sagt. Ob sie es wirklich vermag, seine Gedanken auszulöschen. Aber in Risiko will er bestimmt nicht eingehen.
Ich mag Claire und ich will sie nicht vergessen. Und ihr werdet in meinem Kopf auch nichts auslöschen. Was ist denn so schlimm daran, an sie zu denken?
Ich muss nicht dringend etwas löschen.
meint Kathryn unbeeindruckt und lässt ihre Hand weder ein Stück sinken.
Solange keine verhängnisvollen Informationen vorhanden sind, habe ich hier nichts zu tun. Aber dennoch solltet Ihr mich nachsehen lassen.
Samson starrt erst auf die Hand der Fremden, dann in ihre Augen. Interessanterweise sehen sie denen von Claire, als er sie zum letzten mal gesehen hat, ziemlich ähnlich.
Also Ihr... legt die Hand an meine Schläfe und könnt meine Erinnerungen an Claire sehen?
fragt er, nicht ganz sicher, ob er richtig verstanden hat, was sie von ihm will. Was er aber sehr wohl versteht, ist, dass sie offensichtlich fürchtet, er könnte Informationen haben, die er nicht haben sollte oder dürfte.
Und dann entscheidet Ihr, ob ich meine Erinnerungen behalten darf?
Ich kann all Eure Erinnerungen sehen, aber alle außer die an... Claire interessieren mich nicht.
erwidert Kathryn gelangweilt. Sie widersteht dem Drang, ihn einfach bewusstlos werden zu lassen. Dann würde er sich nicht mehr so lästig wehren.
Aber ja, so ist es. Und auch an mich werdet Ihr Euch am Ende nicht mehr erinnern. Also wird es keinerlei Problem für Euch sein.
Samson denkt noch einmal nach, dann nickt er schliesslich.
Na schön. Aber nehmt mir nicht die Erinnerung an sie. Die möchte ich behalten.
Er wartet, bis sie erneut die Hand hebt, um sie an seinen Kopf zu legen.
Claire ist.. ich meine, sie steckt doch nicht in Schwierigkeiten, oder?
Nein.
meint Kathryn nur knapp, ohne ihm ihr Wort zu geben, ihm die Erinnerungen an Claire zu lassen.
Es wird nicht wehtun.
Dann hebt sie die Hand, legt ihre Finger an seine Schläfe und blickt einen langen Moment durch ihn hindurch, während sie seine Erinnerungen durchsucht. Dann löst sie sich wieder von ihm. Sie hat keine der Erinnerungen an Claire angerührt, denn sie sind nicht gefährlich. Jedoch seine Erinnerung an sie selbst entzieht sie ihm zeitgleich mit ihrer Hand. Dann ist sie verschwunden und lässt einen Moment der Leere in Samson zurück.
Also weiss er jetzt nichts mehr von Claire? :)
doch, nur nichts mehr davon, dass Kathryn da war.
Ach so, jetzt kapier ichs. Sorry. ;)
Im nächsten Augenblick steht Samson mitten in seinem kleinen Appartement und blinzelt verwirrt. Er dreht sich zur Tür um. War nicht eben noch jemand da? Hat er nicht mit jemandem gesprochen? Aber weit und breit ist niemand zu sehen. Er lacht auf und schüttelt den Kopf. Verliert er etwa schon den Verstand? Tatsächlich kann er sich nicht einmal mehr daran erinnern, sein Zimmer betreten zu haben. Vermutlich sind das aber nur die Nachwehen des hässlichen Gespräches mit Tinka eben.
Er muss an Claire denken. Weshalb auch immer, genau in diesem Moment. Aber ihr liebliches Gesicht taucht vor seinem inneren Auge auf und er lässt sich aufs Bett sinken. An der Wand steht noch immer die Leinwand mit dem Bild, das er in jener Nacht von ihr gemalt hat. Allerdings umgedreht, wie alle anderen Bilder auch, sodass er sie nicht sehen kann.
Schade, ich wünschte, wir hätten uns besser kennen gelernt.
sagt er in die Stille hinein.
Du solltest nicht hier sein.
sagt Kathryn in diesem Moment zu Claire. Sie sind unsichtbar, stumm, in einer anderen Ebene als Samson.