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Mehrere lange Tage vergingen. Long blieb jede einzelne Sekunde an ihrer Seite, doch näher als ein paar sanfte Küsse kam er ihr nie. Vermutlich hatte er Angst, ihr oder dem Kind irgendwie zu schaden. Noch dazu fühlte Chen Lu sich selbst immer schwächer und die Dunkelheit des Raumes drückte ihr immer mehr aufs Gemüt. Das Einzige, was ihre Laune aufleben ließ, war Longs Nähe. Zu wissen, dass er bei ihr ist, was auch immer passiert.
Während Chen Lu selbst immer schwächer wird, schreitet die Genesung bei Long gut voran. Er spürt keine Schmerzen mehr in seinem Fuss, lediglich der schwere Verband schränkt ihn noch ein wenig ein. Wann immer Chen Lu wach ist, ist er bei ihr und hält ihre Hand, massiert ihre Füsse oder den Rücken, wenn sie dort Schmerzen verspürt. Ihr Bauch hat sich weiter abgesenkt und verkrampft sich bereits von Zeit zu Zeit. Long kann sich nicht vorstellen, wie schmerzhaft das sein muss, aber er kann es Chen Lu trotz ihrer Tapferkeit ansehen.
In den Zeiten, in welchen sie schläft, versucht er, seinen Körper wieder einigermassen zu stählen. Es ist erschreckend zu spüren, wie schwach er noch immer ist. Besonders jetzt, da sein Sohn bald das Licht der Welt erblicken wird. Aber immerhin ist das Ablenkungsmanöver geglückt und es gab keine weiteren Auffälligkeiten rund um das Kloster. Es scheint, als wären sie für den Augenblick in Sicherheit.
Und so schläft Chen Lu auch. Als könnte niemand ihr etwas anhaben, wenn Long nur neben ihr liegt. Nacht für Nacht schmiegt sie sich an seine Seite und atmet ruhig und geborgen seinen Duft ein. Doch an diesem Morgen wacht sie nicht gut ausgeschlafen aus. Ihr Bauch krampft und sie stöhnt leise im Schlaf, bevor sie schwach die Augen aufschlägt.
Long blickt verkehrt herum zum Bett auf, als er Chen Lus leises Stöhnen hört. Er lässt sich aus dem Handstand wieder auf die Füsse sinken und geht zu ihr hinüber, um sich neben ihr aufs Bett zu setzen. Wie spät es genau ist, könnte er nicht einmal sagen. Immerhin gibt es hier unten keine Fenster. Einzig die Besuche der Mönche und der Hebamme geben ihnen einen gewissen Tagesrhythmus. Zumindest dürfte es jetzt Morgen sein. Früher Morgen sogar, denn noch war kein Besuch hier. Long streicht Chen Lu über die Wange und lächelt.
Guten Morgen, kleine Wildkatze. Alles in Ordnung?
Chen Lu blickt schwach zu ihm auf und bemüht sich um ein Lächeln, was jedoch schmerzhaft verzehrt wird. Ihr Bauch krampft sich schmerzhaft zusammen und sie zieht die Beine näher an ihren Oberkörper, bevor sie sich jedoch aufrichtet und scharf die Luft einzieht.
Bei den Göttern, Long...
Longs Lächeln erstirbt und weicht einem besorgten Blick. Dann endlich versteht er.
Geht.. es los? Ich meine.. Himmel, ich..
Er sieht sie mit einer Mischung aus Begeisterung und Furcht in den Augen an und weiss nicht genau, was er jetzt tun soll. Hilflos hebt er die Hände um Chen Lu an sich zu ziehen, hält aber in der Bewegung unsicher inne und sieht sie fragend an.
Soll ich.. jemanden rufen?
Chen Lu sieht auf ihr Gewand hinab und erschrocken wieder zu Long auf, als sie die Nässe spürt. Dann kommt die Panik, die Wut.
Natürlich, du Vollidiot!
erwidert sie gereizt aber auch ängstlich, bevor sie sich wieder zusammenkauert vor Schmerz.
Hol die verdammte Hebamme!
Long lässt sich das nicht zweimal sagen. Er springt auf, haucht Chen Lu überflüssigerweise einen unbeholfenen Kuss auf die Stirn und flitzt dann davon. Wenige Augenblicke später hört man erneut Schritte auf der Treppe und er kehrt mit der Hebamme im Schlepptau zurück. Diese scheint es weit weniger eilig zu haben als Long und tritt lächelnd ans Bett ihrer Patientin. Long hält sich im Hintergrund, etwas unsicher, was er jetzt tun soll.
Wärt Ihr so freundlich und würdet die Mönche um warmes Wasser und ein paar saubere Tücher zu bitten?
sagt die Hebamme an Long gerichtet, während sie vor Chen Lus Bett in die Hocke geht und ihre Patientin genau mustert. Schweissperlen stehen auf ihrer Stirn und dass die Fruchtblase geplatzt ist, würde sogar ein Blinder erkennen.
Guten Morgen, Chen Lu. Seid Ihr bereit, ein kleines Leben zur Welt zu bringen?
Chen Lu fühlt sich sofort allein gelassen mit ihren Schmerzen, als Long weggeht, doch als sie wiederkommen, haben sie einen Moment lang wieder nachgelassen und sie wendet sich ihm nun schon etwas freundlicher und mit einem Lächeln auf den Lippen zu. Er wirkt gerade ebenso leicht panisch wie sie eben noch. Einzig die Hebamme wirkt völlig ruhig.
Nein, um ehrlich zu sein fühle ich mich nicht bereit, aber... das interessiert Tao vermutlich nicht.
Long nickt und verschwindet wieder. Zum Glück kann er wieder einigermassen schnell gehen, den sein klopfendes Herz treibt ihn zur Eile. Oh Himmel.. gleich wird er Vater! Mit einem Stahlen im Gesicht besorgt er, was die Hebamme verlangt hat.
Nein.. sie kommen, wann immer sie wollen..
antwortet die Hebamme mit einem freundlichen Lächeln.
Ihr seid Euch sehr sicher, dass es ein Junge wird. Ich bin gespannt, ob Ihr recht behaltet.
Sie steht wieder auf und öffnet ihre Tasche.
Wenn Ihr Euch kurz hinlegt, dann werde ich mal nachsehen, wie eilig dieser junge Mann es wirklich hat, einverstanden?
Lu blickt Long kurz hinterher, wendet sich dann aber der Hebamme zu.
Ja, er ist ein Junge. Er ist Long jetzt bereits so unheimlich ähnlich...
Sie grinst breit vor sich hin, zuckt aber zusammen, als eine neue Wehe sie erfasst. Dennoch legt sie sich hin und spreizt die Beine für die Hebamme.
Die Hebamme lacht und setzt sich dann neben Chen Lus Beine. Sie schiebt das nasse Kleid zurück, um Chen Lus Bauch und ihren Unterleib vorsichtig abzutasten.
Wir werden Euch gleich die nassen Sachen ausziehen, keine Sorge.
Ihre Hände wandern an Chen Lus Bauch entlang und drücken sich sanft in die warme Haut. Dann hält sie kurz inne, als die nächste Wehe den Leib ihrer Patientin hart werden lässt.
Es sieht alles gut aus. Doch wir haben noch etwas Zeit. Ich werde Euch erst einmal in ein trockenes Gewand helfen.
Und mit diesen Worten steht sie auf und geht hinüber zum provisorisch eingerichteten Schrank und zieht ein einfaches, weites Nachtgewand daraus hervor.
Chen Lu richtet sich langsam wieder auf und nutzt die Pause zwischen den Wehen dazu, sich aus dem nassen Kleid zu schälen. Das ist eine ziemlich ekelhafte Angelegenheit, aber die Vorfreude auf das Baby treibt sie voran. Und als Long zurückkehrt und ihren Körper mustert, wird sie sogar leicht rot.
Long kehrt strahlend mit Wasserschüssel, Krug und ein paar Tüchern in den Armen zurück, gerade als Chen Lu ihr Kleid abgestreift hat.
Oh..
sagt er nur, mustert sie einen Augenblick und senkt dann höflich seinen Blick, obwohl er schon zig mal gesehen hat, was sich unter Chen Lus Kleid verbirgt. Er grinst und starrt hinunter auf die Wasserschüssel. Verdammt, dieser Babybauch macht sie noch hinreissender, als sie ohnehin schon ist.
Vielen Dank.
sagt die Hebamme, als sie Long die Wasserschüssel aus der Hand nimmt und neben das Bett stellt. Dann nimmt sie das Nachtgewand, das sie über ihren Arm gelegt hat, und hilft Chen Lu, es über zu streifen. Dann nimmt sie die Decken vom Bett und bedeckt die Matratze mit einem der sauberen Tücher, die Long gerade gebracht hat.
Chen Lu muss grinsen, als sie Longs Reaktion beobachtet, schlüpft dann aber mit Hilfe der Hebamme in ein neues Gewand.
Keine Sorge, Long, bald bin ich wieder etwas besser gebaut...
sagt sie, hat aber bereits jetzt das Gefühl, dass sie den Bauch und das Gefühl ihres Kindes in ihm vermissen wird.
Ihr könnt Euch wieder hinlegen, wenn Ihr wollt, Chen Lu.
sagt die Hebamme lächelnd und geht dann hinüber zu Long.
So wie ich Euch und Eure Frau kennen gelernt habe, werdet Ihr nicht von ihrer Seite weichen, während der Geburt. Habt keine Scheu, sie wird Euch deutlich sagen, wie Ihr ihr am besten helfen könnt. Ich kann kein Auge auf Euch haben, also gehe ich davon aus, dass Ihr Euch von selbst meldet, sollte Euch schwindlig werden.
Sie sieht Longs empörten Gesichtsausdruck und lacht.
Schon die stärksten Männer sind bei diesem Anblick auf den Boden gesackt und reglos liegen geblieben. Sowas geschieht. Aber lasst Euch davon nicht entmutigen. Seid eifach für Eure Frau da, solange es möglich ist.
Mit diesen Worten wendet sie sich wieder ab und giesst das warme Wasser von der Kanne in die Schüssel.
Long will gerade erwidern, dass er keineswegs findet, dass Chen Lu schlecht gebaut ist, doch die Worte der Hebamme bringen ihn auf ganz andere Gedanken. Sie kratzen an seinem Stolz. Himmel, was denkt diese Frau eigentlich? Er ist noch immer ein Mann. Ein Krieger. Ein Samurai. Und eine Geburt wird ihn schon nicht umhauen. Dennoch lächelt und nickt er, ehe er hinüber zu Chen Lu geht.
Nur dass das klar ist.. ich werde nicht auf den Boden sinken.
grinst er und nimmt ihre Hand.