Lorenzos Taverne
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Lorenzo da Reba 22.08.2016, 10:08
Hat jeder einen Platz am warmen Feuer und ein kühles Bier zur Hand?
Ihr hier unten zu meinen Füssen müsst Euch noch ein paar Jährchen mit dem Apfelsaft aus dem kleinen Hain von Schwester Gundula zufrieden geben, wie ich fürchte. Doch immerhin der Farbe nach könnte man denken, auch Ihr nippt fröhlich an Lorenzos Bier.
Nun, dann führe ich euch heute zurück. Weit zurück in die Vergangenheit, als die Erde, so wie wir sie heute kennen, noch nicht existierte. Vielmehr glich sie einem trostlosen Klumpen von Erde, Feuer, Wasser und Luft, alles kreuz und quer vermischt, gänzlich ohne Ordnung. Ein heilloses Durcheinander herrschte damals, wilder noch als heute in unserer geschätzten Hauptstadt. Und es gab auch noch keine Menschen, Elfen, Elben, Vampire, Zwerge oder andere Lebewesen. Noch nicht einmal die Götter waren geboren, so lange ist das her.
Diesen trostlosen Elementklumpen nennen wir unsere gute alte Terra. Sie trieb damals in unendlichem Schlafe durch das Universum. Doch selbst diese Terra war nicht das erste, das existierte. Ihre Elemente stammten von einer noch viel älteren Terra, die ihrerseits wiederum von einer noch älteren Terra abstammte. Viel älter, als ich es bin. Und ihr alle zusammen.
"Und ist Terra denn irgendwann aufgewacht?"
Dir geht die Geschichte wohl nicht schnell genug? Genau so war es auch mit Terra. Die Elemente in ihrem Inneren begannen sich zu langweilen. Und so geschah es irgendwann, dass sie sich ausdehnten und anfingen, Kinder aus Erde, Wasser, Feuer und Luft zu schaffen. Es entstanden Flüsse und Bäche, Vulkane und Wälder. So wuchs Terra noch weiter, wurde grösser und schöner als jemals zuvor und bildete die Urform der Erde, wie wir sie heute kennen.
Doch das war noch nicht alles. Eines Tages beschlossen die vier Mächte, sich zusammen zu tun und etwas einmaliges und grossartiges zu schaffen. Es dauerte lange, ja schrecklich lange. Jahrmillionen sogar, doch schliesslich entstand Baltil, den unsere drakischen Freunde auch gerne Zerron nennen.
"Und die anderen Götter?"
Nun, erstmal gab es nur Baltil. Er stieg aus der Unterwelt der Erde und begann damit, Terra zu erforschen. Und da Baltil der erste war, der aus den vier Elementen entsprang, trägt er bis heute kein Antlitz. Er ist reine Macht, überall und nirgendwo zugleich, und er herrscht respektvoll über seine Mutter - Terra -, aus deren Schoss er geschaffen wurde und seinen Vater - die Elemente - die ihn formten. Noch gab es jedoch nicht viel, was man heute Leben nennen würde.
"Und dann hat Terra die anderen Götter erschaffen? Als Freunde für Baltil?"
Aber ganz im Gegenteil, kleiner Schlaumeier. Es war Baltil selbst, der seine Brüder und Schwestern erschaffen hat.
Ihr müsst euch das so vorstellen. Die vier Elemente, Erde, Wasser, Luft und Feuer, können nur dann etwas erschaffen, wenn sie absolut im Gleichgewicht sind. Das Wasser darf im Feuer nicht verdampfen, die Luft nicht von der Erde erstickt werden. Noch heute versuchen die Alchemisten immer wieder, diesen Zustand zu erreichen. Manchmal gelingt es sogar. Aber nur selten. Doch wenn es gelingt..
... dann beginnen sie zu tanzen, umschwirren einander, wie kleine Mücken des Nachts das Licht einer Laterne. Sie sprühen Funken, Wassertropfen, verursachen Orkane und Winde oder sprengen ganze Berge, versuchen immer wieder, die anderen zu zerstören. Das nennt man den Überlebensinstinkt.
Letztendlich sind die Elemente wie wilde Tiere. Man kann versuchen, sie zu zähmen, doch gelingen wird es nicht. Und das hat auch Baltil eingesehen. Er wusste, dass es schwierig werden würde, alle vier alleine im Zaum zu halten.
Baltil beschloss also, seine grosse Macht zu teilen. Er selbst behielt nur einen Viertel davon, die Macht über das Element der Lüfte, weshalb man ihn heute Herrscher der Lüfte nennt. Luft hat die natürliche Tendenz, sich auszubreiten und überall zu sein. Genau wie Baltil. Er ist genauso wenig greifbar, wie sein Element. Aus den anderen Teilen aber erschuf er seine Geschwister.
Die erste war Nigangana, die Wächterin der Erde. Sie bekam eine äusserst wichtige Aufgabe, denn die Erde unterstützt und nimmt alle anderen Elemente auf. Erde ist der Boden, der Leben und Nahrung hervorbringt. Sie ist das nährende und ausgleichende Element, das die Jahre harmonisch ineinander überleitet. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Nigangana von unendlicher Schönheit ist und schon so manchen Sterblichen trotz ihrer Güte in den Wahnsinn getrieben hat.
Für unseren runischen Freunde ist anzumerken, dass Nigangana bei euch ein anderes Antlitz trägt. Der Gott der Erde, den Zerron geschaffen hat, nennt sich Parn. Und ein Urteil über seine Schönheit will ich mir an dieser Stelle nicht erlauben.
"Wie sieht Nigangana denn aus, wenn sie so schön ist?"
Nun, vielleicht solltest du mit deinen Geschwistern gelegentlich im Wald spielen, anstatt immer nur die Äpfel aus Schwester Gundulas Garten zu mopsen, Sarina. Denn dann könnte es gut sein, dass Nigangana dir eines Tages womöglich erscheint.
Periston d'Angilo 20.09.2016, 11:30
Lorenzo da Reba 20.09.2016, 13:02
Periston d'Angilo 20.09.2016, 13:09
Lorenzo da Reba 20.09.2016, 14:52
Nun waren sie also zwei. Baltil und Nigangana. Doch da es bekanntlich vier verschiedene Elemente gibt, erschuf Baltil als nächstes Jalius, den Hüter des Wassers. Sein Element ist eine reinigende Kraft, sie fliesst und strömt, ermöglicht alles Leben, das - mit seltenen Ausnahmen - nur durch Wasser erhalten werden kann. Wasser reinigt, und spült Verschmutzungen fort, kann allerdings auch zerstörerische Kräfte annehmen, wie wir alle wissen. Unsere runistischen Brüder und Schwestern nennen Jalius übrigens Nerron.
Und zu guter letzt formte Baltil seine Schwester Semione, die Hüterin des Feuers. Sie ist eine wahre Wildkatze, wie man sagt, man sollte sich mit ihr nicht anlegen. Zumindest nicht, wenn man sich nicht verbrennen will. Denn das Feuer drängt nach Entfaltung, will nach oben, sich entzünden und entflammen, aber auch alles andere anstecken und mitreissen. Es ist schwer im Zaum zu halten, aber dennoch ist es, genauso wie alle anderen Elemente, für uns unentbehrlich. Gäbe es Semione nicht, würden wir heute an keinem schönen Kaminfeuerchen sitzen.
Und damit waren sie vier. Vier Götter. Vier Elemente. Alle aus einem erschaffen und doch so unterschiedlich, wie sie nur sein könnten. Baltil, der Herrscher der Lüfte, verehren die Völker bis heute am intensivsten. Weshalb das so ist?
Nun vermutlich liegt es daran, dass die Luft in jedem noch so engen und dunklen Winkel unserer Erde anzutreffen ist. Aber dafür muss ich etwas ausholen. Die Götter waren also geschaffen, die Elemente gebändigt. Doch Terra war noch immer nur ein Elementklumpen und kein Leben war auf ihr möglich. So schwärmten die Götter aus. Semione erschuf gemeinsam mit Nigangana weite Sandwüsten, in welchen ein Überleben nur für einige wenige Lebewesen überhaupt möglich ist. Wo die beiden auf Jalius stiessen, zischen und dampfen heute Geysire in die Höhe.
Der Hüter des Wassers jedoch bedeckte grosse Teile Terras mit seinem Element und erschuf Flüsse, Seen und Ozeane, welche wiederum beim Aufeinandertreffen mit Niganganas Erdelement eine üppige Vegetation hervor brachte. So entstanden Wälder und Wiesen.
Baltil allerdings.. Baltil der Herrscher der Lüfte... ist überall. Wind lässt sich nicht einsperren und nicht aufhalten. Dieses Element ist neugierig und sieht und hört alles. Er schafft neue Landschaften durch Verwehungen, versenkt Schiffe, fegt ganze Wälder um und durchstreift Städte voller Musik und seltsamer Geräusche.
"Wer hat denn die Menschen und Elfen und Vampire und Elben und die anderen Völker gemacht? Baltil?"
Das wäre naheliegend, nicht wahr? Die Geschichte verlief aber etwas komplizierter und nahm ihren Anfang bei Jalius, wenn man es genau nimmt. Die Götter liebten nichts mehr, als über ihre neu erschaffene Terra zu wandeln und zu betrachten, was sie alles erschaffen hatten. Die Elemente sind wild und ungestüm, doch die vier haben einen Weg gefunden, sie zu zähmen. Niemals gänzlich, versteht sich. Aber zumindest so weit, dass mit ihrer Hilfe aus Terra ein bewohnbarer Planet geworden war.
Eines Tages also streifte Jalius am Ufer eines kleinen Sees entlang. Nigangana hatte auch dort ganze Arbeit geleistet und die kleinen Pflanzengeschöpfe, die mit dem Wasser in Berührung kamen, gediehen an diesem Ort prächtig und besonders üppig. Noch heute streitet man sich gelegentlich, wo genau alles seinen Anfang nahm. Wo dieser sagenumwobene See liegt. Und ausser Jalius wird uns das niemals jemand beantworten können. Aber an jenem Tag setzte er sich auf einen Stein und betrachtete die tanzenden Spiegelungen in der Wasseroberfläche. Er kam nicht umhin, Niganganas Werk in der Spiegelung seines eigenen Elementes zu bewundern. Und während er so da sass und sich von der Sonne und dem Feuerelement wärmen liess, bemerkte er eine Bewegung im Wasser, die dort nicht hin gehörte. Denn es war nicht die Bewegung eines Elementes. Sondern die des ersten Geschöpfes unserer heutigen Fauna, das Terra hervor gebracht hat.
So winzig, dass es mit blossem Auge für ein Wesen wie uns alle nicht erkennbar war, tanzte es vor Jalius im Wasser als habe es auf diesen Augenblick gewartet. Als würde es sich absichtlich in seiner vollen, mickrigen Grösse präsentieren.
Der Hüter des Wassers tauchte neugierig in sein Element ein und sah dem Schauspiel des kleinen Wesens eine Weile zu. Es lebte, aber tat dies auf eine so andere Weise, wie das Wasser und die Steine, ja selbst die Bäume um ihn herum. Seine Seele war stärker und eigenständiger.
"Aber Steine leben doch überhaupt nicht. Sie haben keine Seele!"
Alles. Alles auf Terra besitzt eine Seele. Steine genauso wie eine Pflanze, ein Tier oder sogar ein Gedanke. Alles, was auf Erden existiert, verändert sich ständig, weil die Welt lebt und eine Seele besitzt. Wir alle - ein jeder von uns - sind Teil dieser Seele. Auch du, kleiner Mann.
Viele Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte vergingen. Jalius hat natürlich seinen Geschwistern längst erzählt, was er entdeckt hatte. Und es blieb bei weitem nicht nur bei diesem einen Wesen. Es schien sich nämlich zu vermehren. Erst waren es zwei, dann drei, schliesslich fünf und letzten Endes waren es so viele, dass Jalius sie nicht mehr zählen konnte, denn sie schwammen flink durchs Wasser. Jene von ihnen, die er mit dem Finger aus Neugierde anstupste, schienen sogar noch grösser zu wachsen, als alle anderen.
Ihr könnt euch wohl alle vorstellen, dass auch die anderen Götter interessiert waren an diesen winzigen Geschöpfen. Nigangana war besonders neugierig. Sie sass oft am Ufer des Sees und betrachtete gemeinsam mit Jalius die kleinen Wesen. Doch eines Tages, als ihr Bruder nicht in der Nähe war, beugte sie sich vor und berührte eines dieser Geschöpfe mit ihrem Finger. Sie hat Jalius häufig dabei beobachtet und noch während sie ihre Locken zurück warf, um sich weiter über die Wasseroberfläche zu beugen, begann das eben berührte Wesen zu springen.
Es hüpfte immer und immer wieder in die Höhe, überwand die Grenze zwischen Wasser- und Luftelement, und bewegte sich auf den Rand des Sees zu, hielt dort aber nicht inne, sondern robbte und sprang durch den Schlamm am Ufer. Nigangana klatschte begeistert in die Hände und jubelte. Das kleine Ding fühlte sich auf ihrem Element genauso wohl, wie im Wasser... und sie beschloss, es von nun an "Schlammspringer" zu nennen.
Und das war der Beginn einer grossen Reise. Aus jenen, durch Zufall entstandenen kleinen Wesen, entwickelten sich durch Zutun der Götter alle Lebewesen, die heute auf Terra wandeln. Baltil berührte einige davon, und sie begannen in die Lüfte aufzusteigen, wurden zu Vögeln und Drachenwesen. Nigangana sorgte dafür, dass die Wälder bevölkert wurden mit Füchsen, Rehen und allem anderen, das darin heute kreucht und fleucht. Und schliesslich entwickelten sich nach und nach, Äonen später, auch grössere und immer intelligentere Wesen. Die Geburtsstunde der Elben, Elfen, Vampire, Hobbits, Menschen, Faune und aller anderen, die wir heute kennen, war gekommen.
Und damit beende ich meine Runde für heute. Ich wünsche euch allen eine wunderbare und angenehme Nacht.
Geniesst Euer Bier. Wir sehen uns beim nächsten Vollmond.
Oh, das sind aber viele Leute heute.. willkommen, meine Freunde, willkommen.
Ich sehe viele Völker unter euch. Es sind Menschen hier, Elben, Zwerge, Elfen und Hobbits. Alle friedlich vereint bei einem schönen Bier und einer guten Geschichte. So mag ich das.
Doch ein Wesen wird man hier niemals antreffen. Denn sie gehören genauso zur Natur, wie all die wilden Tiere draussen im Wald und halten sich nicht sonderlich gerne in geschlossenen Räumen auf. Hier drin würden sie vermutlich ersticken, weil ihnen die Verbindung zu ihrem Element fehlt. Aber ich will von vorne beginnen.
Es is Äonen her, womöglich sogar noch länger. Doch eines Tages, während die vier Götter fleissig damit beschäftigt waren, die Lebewesen weiter zu beobachten und gelegentlich anzustupsen, um ihnen neue Fähigkeiten zu geben, hatte Nigangana es satt, einfach nur zuzusehen. Sie wollte selbst ein Wesen erschaffen. Aus ihrem Element. Also nahm sie eines Tages ein kleines Pflänzchen und grub es an einer besonders schönen Stelle in den Erdboden. Es war so jung, dass es noch nicht ein einziges, braunes Blatt gesehen hatte. Sie betrachtete es eine Weile und flüsterte ihm dann leise Worte zu. "Im Lichte wachsest du, im Wasser trinkest du. In der Luft atmest du, doch im Feuer sterbest du und nur totes Feuer gibt dir Früchte."
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, begann das Pflänzchen zu wachsen, nährte sich von Licht, Wassser und Luft, und noch ehe Nigangana sich versah, wandelte es sich vor ihren Augen. Die Göttin zuckte zurück, en wenig überrascht von ihren eigenen Kräften. Doch ihren Blick konnte sie nicht abwenden. Vor ihr entstand ein grosses, starkes Geschöpf, vollkommen im Aussehen, mit hellgründer Haut und feinen Gesichtszügen.
"Eine Dryade!"
Eine Dryade. Nigangana verliebte sich vom ersten Augenblick an in ihr selbst geschaffenes Wesen und beschloss, noch mehr davon wachsen zu lassen. Und so bestimmte sie, dass jeder Baum auf Terra ein solches Geschöpf an seiner Seite haben sollte, das Feinde vertreibt und dafür sorgt, dass Niganganas Werk - all die Bäume und Wälder - nicht von unachtsamen Wesen zerstört werden.
Natürlich blieb Niganganas Tun nicht unbeobachtet von ihren Geschwistern. Besonders Baltil war sehr interessiert daran, was seine Schwester aus eigener Macht geschaffen hatte. Die Dryaden waren damals wie heute ein sehr Naturverbundenes Volk. Kein Wunder, immerhin hat Nigangana persönlich sie geschaffen. Doch als Baltil eines Tages als frischer Westwind durch die Wälder streifte, kam ihm auch immer mehr Wehklagen und Unmut zu Ohren. Er setzte sich zum einem Dryaden-Mädchen und lauschte ihren Sorgen.
"Wisst Ihr, Nigangana hat uns das Leben geschenkt. Und wir sind unfassbar glücklich darüber doch.. selbst wenn wir frei denken können, so sind wir doch noch immer an sie gebunden."
Heute wissen wir alle natürlich längst, dass eine Kreatur, die erschaffen wurde und sich nicht natürlich entwickelt hat, immer abhängig von ihrem Schöpfer ist. Es sei denn, er gibt sie frei. Doch diese Weisheit musste erst schmerzvoll erlernt werden. Baltil beobachtete die Dryaden eine Weile und kam zu dem Schluss, dass sie tatsächlich die Wahrheit sprachen. Nigangana, so fürsorglich und mütterlich sie sich auch um ihre Geschöpfe kümmerte, erkannte nicht, dass sie keine freien Wesen waren. Wie hätte sie es auch sehen können? Immerhin war sie es, die über sie gebieten konnte.
Baltil sprach seine Schwester darauf an. Natürlich. Doch Nigangana wurde nur wütend. Ihre Dryaden waren ihre Kinder. Und eine liebende Mutter glaubt stets, einzig das Wohl ihrer Kinder im Auge zu haben.