Kaiserreich Drachenstein

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Ein langer Weg

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Kyra 29.09.2015, 21:11

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Reger Straßenlärm. Das Geschrei von Händlern welches ihre Waren anpreisen, das Schwatzen von Leuten über neueste Ereignisse, Klatsch, Tratsch und Gerüchte und das schnaufen, ächzen und stöhnen der Knechte und Mägdte unter ihren Lasten und Arbeiten. Die ganze Stadt ist voll davon und helfen Kyra sich ihren Weg zu bahnen. Ihr Geldsäckchen mit ihren Ersparnissen ist fast leer. Und weit dürfte sie noch nicht gekommen sein. Den bei ihrer Nachfrage wurde ihr mitgeteilt, dass sie sich zwar jetzt in Esturien befinden, und dieses auf dem Weg zur Hauptstadt Pretannica liegt, aber sie nicht einmal die Hälfe des Weges hinter sich hätte.

Jetzt ist sie schon seit drei Tagen unterwegs in dieser Stadt und hält die Ohren auf für eine Mitfahrgelegenheit. Ein Schiff nach Pretannica, wo sie kostengünstig, besser sogar umsonst mitfahren könne. Leider hatte sie bisher Pecht gehabt. Die Schiffe fuhren nach Daechra, Khine, Rosener, Korayn, Teygul und Meris. Die meisten dieser Städte sagen ihr nichts. Es mag schon sein, dass sie auf dem Weg zu ihrem Ziel liegen, aber was wenn sie sich falsch entscheidet? Und was hilft es ihr, wenn sie ihr letztes Geld für eine Schiffspassage ausgibt, welches sie ihr Ziel zwar näher bringt, sie dort aber endgültig festsitzt?

Kyra hätte schreien können, während sie unter Zuhilfenahme eines Stockes ihren Weg durch die Leiber sucht. Inzwischen kennt sie jeden Stein und jede Biegung auf ihrem Weg. Nur die Städter selbst, die stehen natürlich immer wo anders.

Mir geht langsam das Geld aus... Spricht sie laut in Gedanken. Ihre innere Stimme schwieg. Kyra nimmt sich vor, das nächste Mal wenn die Stimme still sein sollte sie um Geld zu bitten.

Kyra vollführt weiterhin ihre Runde, bis die erlösenden Worte endlich an ihr Ohr kommen.

"...zweihundert Ballen nach Pretannica, nehmen noch das Zeug der Händler dort auf und dann endlich zurück nach Valya. Und dann, weiß Nerron wann ich wieder her komme. "

Kyra wird langsamer und geht vorsichtig in Richtung der Quelle. Schon bald strömt der vertraute salzwassergeruch eines Matrosen in ihre Nase, den sie seit ihrer Ankunft in der Hafenstadt kennen gelernt hat. Sie wird noch langsamer, macht aber keine Anstalten stehen zu bleiben, da dies in einer gedrängten Stadt seltsamer aussieht wie eine Blinde die die Straßen kennt. Der Matrose unterhält sich noch eine Weile weiter mit einer Frau etwa gleichen Alters und kratziger Stimme. Offenbar lässt sie nicht locker damit ihn wieder zu sehen. Eine Schwester? Eine vertröstete Geliebte? Kyra musste sich nun einen Platz an einer Mauer suchen, nur ein paar Schritt vom Päarchen entfernt und setzt sich wie eine gewöhnliche Bettlerin hin und hält die Hand auf, während sie weiterhin dem Gespräch zu folgen versucht.

Offenbar fährt das Schiff des Mannes schon morgen früh und befördert nur Waren. Die Frage um eine Mitfahrt kann sie sich also sparen. Immerhin dürften auch eingelegte Lebensmittel sich unter den Sachen befinden. Wenn sie es schafft sich unters Deck zu schleichen und mitzufahren. Sie könne sich sicher irgendwo verstecken und heimlich wie eine Ratte etwas stibitzen bis sie in Pretannica ankommen. Eine Münze landet in ihrer offenen Hand. In den letzten Tagen hat sie ihren Schmerz runterschlucken müssen um Überleben zu können. Betteln war das einzige wofür sie hier Geld bekam. Sie konnte Kochen, Wäsche machen, alles mit ein wenig Übung mindestens genausogut wie jede andere Magd aber niemand wollte es mit ihr versuchen. Sie konnte es ihnen nicht verdenken. Durch die Blindheit und ihre Stummheit konnte sie sich in neuer Umgebung nur schwer zurecht finden und auch die Gespräche wurden langatmig. So glaubten viele sie wäre schwachsinnig oder zurückgeblieben und waren nicht bereit ihr eine ernsthafte Arbeit an zu vertrauen. Obwohl sie das wusste, beleidigte es sie jedes Mal aufs neue. Ich werde mich schon noch beweisen.

Dieser Gedanke hatte sich schon seit einiger Zeit in ihrem Hirn festgesetzt. Sie wollte kein Mitleid. Leider ist genau das das einzige auf das sie zur Zeit bauen konnte. Dafür hasst sie sich selbst. Jedes Mal ein Stückchen mehr.

Endlich hatte das Paar sich verabschiedet. Sie weiß, in der Menschenmenge würde sie ihn verlieren, wenn sie ihm nicht gerade dicht auf den Fersen blieb. Dabei würde sie alle Heimlichkeit vergessen können. Für dieses Problem hatte sie aber einen Ausweg parat. Ihre unbenützte Hand griff in eine Tasche und suchte einen kleinen Gegenstand. Gerade als sie die Schritte des Herrn an sich nähern hört, streckt sie unmittelbar ihren Gehstock aus. Mit einem lauten Schrei fällt der Seemann zu Boden, direkt vor ihre Füße. Mit größter Umsicht steht Kyra auf und nähert sich dem sich langsam aufrappelnden. Ihre Hände ertasten seinen Körper, sein Bein, seine Hose und führen eine schnelle Handbewegung aus, während sie unter mehrmaligenden entschuldigenden Verbeugen dem Gestürzten aufhilft. Lautes Fluchen ist zu hören, Schimpf und Zorn über sie. Kyra schluckt alles hinunter und verbeugt sich nocheinmal. Wütend humpelt der Mann davon, und kann zwischen seinem Gezeter das leise Klingeln eines Glückchens nicht hören, welches Kyra mit einer Nadel an seiner Hose angebracht hat. Zum ersten Mal seit langem erlaubt sie sich ein Grinsen. Jetzt wird es einfacher ihm zu folgen.

Hab mich lange mit Kyra einsiedlerisch bewegt. Jetzt soll mein blindes, stummes Mädchen sich einen Weg zu ihrem Schicksal bahnen. Jeder ist eingeladen ihr über den Weg zu laufen. :)

Irgendwie schreibe ich gerne mit Kyra lange Romane...

07.10.2015, 21:41

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Den halben Tag folgt sie dem Klingen des Glöckchens. Immer darauf bedacht nicht zu nahe zu kommen. Abseits der vollgestopften Gassen fällt ihr es zunehmend leichter Abstand zu halten. Einmal tauchte der Seemann in einem Haus ab, welches Kyra durch die Geräusche und den Geruch nach Alkohol und Erbrochenem als Wirtshaus identifizieren konnte. Sie verbrachte mehrere Stunden außerhalb und war schon fast soweit enttäuscht auf zu geben, in der nicht von dre Hand zu weisenden Annahme, dass das Glöckchen entdeckt und entfernt wurde, als es abermals klingelte.

09.10.2015, 21:57

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Wieder folgt sie dem Geräusch mit weitem Abstand. Die Kühle der Abendluft umfängt sie und lässt sie ihre Bluse enger an ihren Körper pressen. Auch muss sie darauf achten ihm nicht zu nah zu kommen. Jetzt wo es später wird, gehen weniger Leute um und geben ihr nicht mehr die nötige Deckung. Sie muss sich darauf verlassen, dass er betrunken ist.

Die unregelmäßigen Schritte geben ihr Recht und so folgt sie ihm bis in den Hafen hinein. Jetzt wird es schwieriger. Sie muss sich konzentrieren um den Lauten zu folgen und ab zu schätzen. Das Hafenviertel ist sie in den vergangen Tagen ebenfalls abgegangen und kann sich orientieren. Auf den Schiffen freilich ist sie noch nie gewesen.

Es dauert eine ganze Weile, da das Klingeln zuerst höher stieg und dann kaum mehr zu hören war bis Kyra das richtige Dock, den richtigen Steg, das richtige Schiff gefunden hat.

Soll ich es heute Nacht wagen?

Keine Antwort. Sie muss selbst entscheiden. Was hat sie zu verlieren? Im schlimmsten Fall wird sie von Bord gejagd wegen unbefugtem Betreten.

Kyra horcht in die Nacht hinein. Sie kann niemanden dort oben hören, außer das ganz leise Klingeln, irgendwo unter Deck. Keine Wache? Oder sie sieht Kyra gerade an. In dem Fall muss sie es einfach versuchen. Ihr Stock findet die Planke und sie setzt vorsichtig einen Fuß darauf. Kein Geschrei, kein Anschnauzen. Keine Reaktion.

Sollte sie soviel Glück besitzen? Ein weiterer Schritt und wieder bleibt eine Reaktion aus. Schritt für Schritt betritt sie das Schiff, bis der Anstieg aufhört und sie die wagrechten, im leichten Seegang auf und niederschaukelnden Planken unter ihren Füßen spürt.

Gut so!

Voller Freude aber die Vorsicht nicht ganz außer Acht lassend, sucht und findet sie den Durchgang unter Deck. Ganz, ganz vorsichtig geht sie die Stufen hinunter, nach jedem Schritt eine kurze Pause. Lauschen. Weiter.

Gleich nach den ersten Stufen stößt sie sich den Kopf an. Verdammt ist das niedrig! Sie setzt ihren Weg fort, auch wenn es nicht besser wird. Noch zwei weitere Male stößt sie sich den Kopf, bis sie das Ende der Treppe erreicht. Hier spaltet sich ein Gang ab, aus dem sie mehrstimmige Schnarchlaute vernimmt. Kyra ist sich nicht ganz sicher wie ein Schiff aufgebaut ist, beschließt aber das durch einen ganzen Stall von schlafenden Matrosen nicht ihr Glück zu versuchen.

Das Glöckchenklingeln tönt von der gegenüberliegenden Seite, weiter unten. Was hat er dort zu suchen? Sie umfasst unschlüssig das Geländer. Dann erinnert sie sich an einen Abend im alten Herrenhaus in dem sie früher gedient hat. Da war der werte Herr vollgetrunken Nachts im Haus rumspaziert und hat sich an den gesalzenen Würsten im Vorratsraum gültlich getan. Vielleicht gelüstet es dem Matrosen genauso und er stibitzt etwas aus dem Lager?

Sie beschließt dem Geräusch weiter zu folgen. Die nächsten Stufen sind nicht besser oder schlechter wie die vorherigen. Unzählige Balken scheinen sich ihr in den Weg zu stellen und nur mit aller Mühe findet sie den Weg weiter in den Bauch des Schiffes. Schließlich findet sie einen weiteren Gang, eine offene Tür, und als sie hindurchtritt, merkt sie an der Veränderung des Klanges des Glöckchens und ihrer Schritte, dass sie in einen weiten Raum angelangt, endlich das Lager?

Plötzlich schießt ihr ein scheusslicher Geruch in die Nase.

17.10.2015, 21:50

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Bilder tauchen vor ihrem inneren Auge auf. Von einer von Ratten zugekoteten Abstellkammer in einer frühen Arbeitsstelle. Dort hat es fast genauso gestunken. Was ist das hier? Haben sie ein Rattenproblem? Sie konnte sich nicht einmal vorstellen in einem rattenverseuchten Schiff zu übernachten. Wer weiß ob diese Biester sie nicht des Nachts anknabbern würden. Es schüttelt sie heftig vor Ekel. Trotzdem geht sie weiter. Irgendetwas stimmt einfach nicht. Sie fühlt sich seit geraumer Zeit beobachtet und obwohl sie dem Seemann und dem Glöckchen immer näher kommt, hört sie nichts von ihm außer das Bimmeln in welches sich Tierlaute mischen. Zu Kyras Überraschung hört es sich aber nicht nach Ratten oder Mäuse an. Es sind Laute der Aufregung, der Beunruhigung,der Angst. Kyra bleibt stehen. Das Bimmeln des Glöckchens wird immer lauter, aufgeregter. Etwas stimmt nicht. Ich muss weg! Sofort!

Sie dreht sich um, hin zur Treppe um mit eiligen Schritten zu verschwinden, als sie unerwartet gegen einen festen Körper stößt.

"Willst du schon gehen?"

fragt eine rauhe, männliche Stimme. Und Kyra erkennt sie mit Schrecken als jene des Matrosen wieder. Unwillkürlich geht sie zurück.

"Was für ein böses, böses, Mädchen du doch bist. Stellt mir ein Bein, verpasst mir ein Klingelding und schleicht sich aufs Schiff."

Kyra geht immer weiter rückwärts. Seine Stimme lallt leicht, der Geruch von Alkohol steigt in ihre Nase, doch seine Schritte sind noch fest. Er ist eindeutig angetrunken, aber nicht zu betrunken. Eine böse Ahnung steigt in ihr hoch. Sie ist in eine Falle getappt. Er hat sie hier runter gelockt und hat nun... was vor? Sie schüttelt den Kopf, unfähig etwas zu sagen.

"Für das hier..."

er macht eine Pause, zeigt vermutlich auf irgendetwas. Kyra stößt links und rechts an Kisten und Fässern an, sucht sich einen Weg durchs Lager, immer darum bemüht Abstand zu gewinnen zum immer näher kommenden Kerl.

"...sollte ich dir eine Lektion erteilen. Hast du ja verdient.

Ooooder, bist du mir vielleicht deswegen gefolgt? Hehe..."

Das blinde Mädchen stolpert immer weiter rückwärts, ihren Stock wie ein Schwert vor sich haltend, bis sie an einer klapernden Wand hinter sich anstößt. Das Geschrei der Tiere ist jetzt direkt hinter ihr. Sie kann spüren wie sich etwas in ihren langen Haaren festbeißt und daran zieht. Auch das Glöckchen ist jetzt ganz nah. Käfige!

Lachend wird ihr ihr Stück Holz aus der Hand gerissen und neben sie gegen den Käfig geschleudert, wobei die Tiere erneut aufschreien.

"Hast du Angst vor den Nagern? Dabei sagen doch alle, dass Frettchen so süß sein sollen. So kuschlig und weich. Und erst die Mäntel aus ihnen."

Sie spürt seinen Atem auf der Haut. Er ist ganz nah. Sie versucht links oder rechts aus zu brechen, aber seine Hände sind schneller, packen sie, werfen sie wieder zurück.

"Nanana, nicht so schnell mein Täubchen. Du hast dich noch gar nicht bei mir entschuldigt."

Ein fremder Mund drückt sich auf den ihren, fremde Hände quetschen ihr Kinn herunter damit sich eine fremde Zunge in sie bohren kann. Sie schlägt nach ihn, in wilder Verzweiflung, doch er scheint es nicht einmal zu bemerken. Ihre Finger krallen sich in alles mögliche, während der Körper sich näher an sie presst. Irgendwas muss sie doch tun!

Ein plötzlicher Schmerz zuckt durch ihr Bewusstsein. Ihr Finger. Etwas hat in ihren Finger gebissen.

Ihre Hände gleiten weiter an den Käfigen entlang, lassen Bisse und Kratzer über sich ergehen, während sie ein sehnsüchtiges aufstöhnen von dem Kerl vernimmt, der eine Hand von ihr gelassen hat und sich rythmisch bewegt umd...sich etwas aus zu ziehen?

Sie findet etwas bewegliches. Beweglicher als der Rest. Eine Käfigtür! Sie tastet nach dem Schloss. Die Biester wehren sich als hätte sie etwas schlimmes vor.

"Das wird eine Nacht die du nicht so schnell vergisst."

Ihre blutig schmerzenden Finger ertasten einen Pflock welcher sich zwischen zwei Holzstücken verharkt. Sie reißt ihn heraus und sticht damit zu. Ein jaulender Schmerzensschrei ist zu hören, er lässt von ihr ab. Gleichzeitig hört sie zahlreiche Tiere weglaufen, auch das Glöckchen.

"MISTVIECHER! BLEIBT HIER! NEIN, AAAAHAAHAAAA! LASS LOS!"

Kyra hofft dass eines der Tiere genau dorthin gebissen hat wo sie es sich vorstellt und quetscht sich an ihm vorbei, zurück in Richtung Treppe, gefolgt von zahlreichen Flüchen und Geschrei. Ohne ihren Stock als Hilfsmittel rennt sie unentwegt wieder gegen Kisten und Fässer. Ein paar Mal tritt sie auch auf die Tierchen die ihren Weg ins freie suchen, wird gebissen. Endlich gelangt sie zur Treppe, hastet hinauf, stößt sich erneut den Kopf an hervorstehenden Balken und tiefer Decke. Vom Schlafraum sind laute Geräusche zu hören. Der Lärm hat die Schlafenden gewegt. Vielleicht auch das ein oder andere Frettchen. Ein Schlag des vermaledeiten Schiffes trifft sie schwer, lässt sie beinahe die Balance verlieren, das Quietschen, das schreien ebbt nicht ab, machen das ganze nur noch konfuser. Einzig die Richtung kennt Kyra, nach oben.

Endlich spürt sie die klare, kalte Seeluft, hat das Deck erreicht. Sie hört Schritte hinter sich. War die Planke rechts oder links? Kyra überlegt.

"BLEIB STEHEN DU SCHLAMP...AAAAR!"

Kyra entscheidet sich für links. Eilt so schnell sie kann ohne Gefahr zu laufen zu stolpern über die Planken. Sie trifft loses Seil auf ihrem Weg. Sie hört das Glöckchen vor sich. Die Frettchen! Natürlich sie kennen den Weg! Ihre Schritte werden schneller, sicherer, da stößt ihr Knie auf etwas. Sie wird nach vorn geschleudert, verliert das Gleichgewicht, und fällt...

30.10.2015, 13:49

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Hach, endlich weiterschreiben. :)

Kyra ist sowas wie mein Steckenpferd. Bei ihr macht es mir nichts aus wenn keiner mitliest, ich schreibe nur für mich.

Der Fall dauerte länger als erwartet. Jeden Moment erwartet sie den harten Steinboden des Docks unter sich zu spüren, das brechen und splittern ihrer Knochen zu hören, den dumpfen Aufprall.

Stattdessen prallt sie auf etwas hartem, was sie sogleich zu verschlingen scheint. Salziges Wasser strömt in ihre Nase, ihren Mund. Falsche Seite! denkt sie sich und weiß nicht ob das gut oder schlecht sein soll. Sie rudert wie wild mit den Armen, umgeben von der Masse an Wasser. Vergeblich. Überall ist nur Meerwasser, Kyra besitzt nichts zur Orientierung, fühlt sich verloren in einem stetigem Treiben der Masse.

Panik steigt in ihr auf. Sie hat kaum Luft in den Lungen und findet keine Möglichkeit die Oberfläche zu finden. Ihre Hände greifen wild umher. Die Kette eines Ankers, das Ende eines Seiles, der Stein der Docks, das Holz eines Bootes, irgendetwas!

Kyra findet nichts. Sie zwingt sich zur Ruhe, während ihre Gedanken wild umherreisen. Sie vernimmt ein dumpfes Platschen. Dann noch eins. Etwas streift ihre Hand. Es fühlt sich sehr seltsam an, weich, nachgiebig und doch glatt und fest. Sofort packt sie zu. Sie spürt ein zappeln, Kratzer, Bisse. Kyra zieht das Tier weiter heran, lockert dann den Griff.

Es flutsch durch ihre Finger in ihre linke Richtung.

Die Chancen stehen gut dass dies der Weg zur Oberfläche ist. Mit aller verbliebenen Kraft schwimmt sie in Richtung ihrer linken Körperseite. Ihr Brustkorb fühlt sich zum bersten gespannt an als sie rudert und sich durch die Massen kämpft. Ihre Lungen brennen darauf nach Luft zu schnappen, gleich das ihr Gesicht noch unter Wasser ist.

Dann, endlich, spüren ihre Hände Luft. Noch zwei schnelle Züge und dann kommt ihr Kopf nach. Gierig saugt sie den wertvollen Sauerstoff ein und muss gleichzeitig die geschluckte Flüssigkeit auskotzen.

Nach einigem suchen findet Kyra auch einen Steg und kann sich aufs trockene Land schwingen.

Da ertönt die fremde Stimme in ihrem Kopf.

Mhm, hab ich etwas verpasst?

Na klar les ich gespannt mit! :))

Kyra 20.11.2015, 15:14

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Die nächsten Wochen waren keine Erholung für die Magd. Durch ihren Ausflug und ihr unfreiwilliges Bad sind nicht nur ihre sämtliche Kleidung mit einer steifen Salzkruste belegt, auch ihren Geldbeutel hat sie im Tumult verloren, mit den wenigen Habseligkeiten die sie noch besaß. Nun muss sie sich gezwungenermaßen als Bettlerin durchschlagen. Das wenige was die Leute ihr hinwerfen gibt sie für Essen aus.

Die Stimme in Ihrem Kopf hat sich nur kurz gemeldet und Kyras Erzählungen gelauscht. Sie schien ungewöhnlicherweise verständnisvoll zu sein und versprach sich um sie zu kümmern. Seit dem herrscht Stille und nachdem einige Tage vergangen sind, beginnt die Hoffnung von Kyra zu schwinden jemals wieder etwas von der Stimme zu hören. Seit sie von der Akademie aufgebrochen sind, meldete sie sich mit immer größerem Abstand wieder. Er lässt mich allein. Dieser Gedanke kommt ihr immer öfter. Was bindet ihn schon an sie?

Dann, nach einigen Tagen kommt ein wohlbekanntes Klingeln ihr zu Ohren. In einer Seitengasse, gleich hinter einem Wirtshaus findet sie nach einer langen Suche ein Nagetier welches sich in seiner Gier nach Essensresten selbst in eine Falle aus Holz und einer Metallfeder bugsiert hat. Du hast mich gerettet. Jetzt sind wir quitt. Überlegt sie als sie mit umständlichen Griffen die Falle öffnet und das Frettchen befreit. Sofort zische es von ihr. Verharrte aber in einiger Entfernung, wie Kyra aber feststellte, und nachdem sie ihre letzten Essensreste angeboten hatte, ließ sich das Frettchen sogar füttern. Seit diesem Tag waren sie beide zusammen. Zwei verlorene Seelen weit ab von ihrer Heimat, kämpfend ums Überleben.

Kyra fand schnell heraus, dass ihr neuer Freund ein kleiner Dieb war. Und er fand heraus, dass die nette Frau glänzende Sachen gerne gegen Essen tauscht. So hielten sie sich die Zeit über Wasser...

10.12.2015, 20:02

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"He da! Aufwachen!"

Kyra hat am Straßenrand vor sich hin gedöst, eine Hand an ihrer Bettelschale, die andere an ihrem Frettchen gelegt, welches warnend sein Fell aufrichtet und zischlaute von sich gibt. Jemand klopft mit einem harten Gegenstand, vermutlich einem Stock, gegen ihre Beine. Müde hebt sie den Kopf an um zu zeigen, dass sie wach ist.

"Auf, auf! Wir verschwinden von hier."

In Kyra macht sich Verwirrung breit. Wer ist dieser Mann und was will er von ihr? Ein Wachmann der sie vom Betteln abhalten will? Bevor sie auf diese Frage eine Antwort findet, umfasst eine Hand ihr Handgelenk und reißt sie auf die Beine. Spitze Fingernäbel ziehen wie Klauen über ihre Haut und schneiden bei dem geringsten Widerstand ins Fleisch.

Luft zwischen den Lippen einsaugend, stolpert sie hoch. Ihr Frettchen klettert ihrem Arm hoch auf ihre Schulter, zischt den Angreifer böse an und verhaart dort. Sie kann die Spitzen ihres Begleiters durch die Wäsche spüren.

Plötzlich ertönt genau vor ihr ein Zischen, um längen bedrohlicher wie ein Frettchen, einem Raubtier gleich und der Übermut ihres Beschützers wird ganz klein. Der Fremde macht selbst ihm angst. Prüfend zieht sie die Luft ein. Modrig, staubig, alt. Passend zur Stimme. Als hätte er sich zwanzig Jahre lang nicht aus einem Stuhl hinausbewegt.

"Einen netten Begleiter hast du da gefunden. Und so anhänglich."

Das ist doch nie und nimmer jemand von der Wache. Kyra wird durch die Straße mitgezogen. Immer unheimlicher wird ihr diese Begegnung. Ich sollte bei nächster Gelegenheit entkommen. Zwar ist er stärker wie ich, aber alle Männer haben die selbe weiche Stelle. Die finde ich auch so.

Zwei Sekunden später bricht der Alte in schallendes Gelächter aus.

"HA,hahahaha. Nicht auf den Kopf gefallen, nein gar nicht. Aber bei mir fast wirkungslos. Ich bin alt und verdorrt. Von der Wurzel bis zur Frucht. HAHAHA"

Was... wie... woher weiß er was ich vorhatte? Erschrocken vergisst Kyra sogar Angst zu haben.

"Ich habs ihm gesagt."

Spricht ihre innere Stimme. Du?

"Ja, er."

"Ja ich."

Was? Seid mal still! Alle beide!... Wer ist dieser Kerl? Sie bleiben unvermittelt stehen.

"Lintaryso. Lintaryso de Gweroschet. Und ich bring dir in den nächsten Wochen und Monaten bei wie du dich durchkämpfen kannst.

Hier."

Kyra bekommt etwas in die Hand gedrückt. Ein Stab, wie sie erfühlt. Aus leichtem Metall. Vollkommen perplex bringt sie nur ein Nicken zustande.