Steady State ist neben der Urknalltheorie die andere Theorie zur Entwicklung des Universums. Und diese Formulierung ist auch so recht wichtig, denn: Die Urknalltheorie erklärt nicht, warum sich das Universum in erster Linie entwickelt hat, weil sie das gar nicht soll. Sie deshalb abzulehnen, ist so, als würde man die Gravitationstheorie ablehnen, weil sie die Evolution nicht erklären kann. Es ist nicht Aufgabe der Gravitationstheorie – und genauso wenig ist es Aufgabe der Urknalltheorie zu erklären, warum das Universum entstand. Deshalb auch mein starkes Beharren darauf, dass es außerhalb des Universums Zeit und Raum nicht gibt (womit sich auch die Frage erledigt hat, wohin sich das Universum ausdehnt): Wo Zeit und Raum nicht existieren, verliert auch Kausalität als Begriff, der auf diese Dimensionen aufbaut, seine Bedeutung. Und deshalb sollten wir uns beim Diskurs ganz klar auf dieses Universum beschränken.
Bezüglich Abiogenese: Hypothese vielleicht noch vor vierzig Jahren; mittlerweile würde ich schon locker bei Chemischer Evolution von einer Theorie sprechen, und noch dazu von einer konkurrenzlosen: Der gesamte Prozess von einem unbelebten Planeten hin zu selbstreplizierenden Vesikeln wird durchgehend verstanden und kann im Labor repliziert werden. Anschließend gibt es dann halt die Frage, ob die metabolistische oder genetische Entwicklung im Vordergrund stand, aber dass eine dieser beiden Entwicklungen stattfand, ist unbestreitbar, und momentan geht der Konsens dahingehend, dass beides ungefähr zeitgleich stattfand. Und schon sind wir bei RNA und über früher oder später bei DNA, komplexen Proteinen, Krebs-Zyklus, und den ganzen Sachen, die man aus dem Biounterricht noch kennt. Oder hast Du eine andere Erklärung dafür, wie Leben entstanden ist?
Da ich nun gleich über Zufall reden werde, möchte ich vorneweg eine Definition aufstellen: Mit »Zufall« werden verwirrenderweise vier verschiedene Konzepte bezeichnet, und diese Konzepte sollte man nicht in einen Topf werfen. Es gibt den korrelativen Zufall; das ist der bekannte »Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet unsere Nachbarn letztes Jahr im Urlaub auf Bali getroffen haben!«-Zufall und sagt nichts anderes aus, als dass ein Fall von so geringer Wahrscheinlichkeit eingetreten ist, dass sie sich außerhalb unserer Intuition bewegt. Hier kann man eigentlich nicht guten Gewissens von Zufall sprechen. Dann gibt es den kausalen Zufall: Das heißt, es ist ein Ereignis vorgefallen, das scheinbar keinen Auslöser hat; es gibt also scheinbar keine Kausalität: Warum sterben die Fische in Aquarium A, aber nicht in Aquarium B, wenn in beiden Aquarien Wasser aus der gleichen Quelle ist? Wichtig ist, es handelt sich hierbei nur um eine scheinbare Kausalität: Aquarium A etwa ist bleiverglast, weshalb die Fische an einer Bleivergiftung sterben. Es werden also Variablen, die die Unterschiede erklären, nicht berücksichtigt. Auch das ist nicht der Zufall, um den es hier gehen soll, weil es eben kein wirklicher Zufall ist, sondern nur ein sprachgebräuchlicher. Dann gibt es den empirisch-pragmatischen Zufall: Ein Ereignis fällt vor, das von so vielen Variablen abhängt, dass man es nicht bestimmen kann. Klassisches Beispiel ist der Würfelwurf. Ich kenne alle Kräfte, die darauf einwirken, allerdings sind diese so komplex, dass ich den Ausgang nicht vernünftig berechnen kann. Würde ich jedoch eine mechanische Hand im Vakuum einen Würfel werfen lassen, so würde der Würfel bei gleichem Wurf – also gleichem Bewegungsvektor und Drehimpuls – immer auf der gleichen Seite landen. Auch hier liegt kein Zufall als Gegenbegriff zum Determinismus vor, sondern wieder nur als Sprachgebrauch. Und zuletzt noch gibt es dann den objektiven Zufall: Ein Ereignis fällt vor, ohne dass es durch irgendetwas ausgelöst würde – und das nicht, weil man eine Variable vergessen hat, sondern weil es dafür keine Ursache gibt. Das ist der Zufall, der als Gegenbegriff zum Determinismus steht, und den ich meine, wenn ich nun von Zufall sprechen werde.
Mit der Formulierung »Der Determinist glaubt nicht an Zufall« bin ich so nicht ganz glücklich, weil man mit Glauben in der Regel etwas dogmatisches verbindet. Ich würde lieber sagen: »Für den Deterministen deutet alles darauf hin, dass es keinen Zufall gibt«. Das ist zwar unterm Strich nicht viel anders, aber betont doch den wissenschaftlichen Charakter der Annahme etwas mehr und hebt es von bloßen (und in der Wissenschaft fehlplatzierten) Glaubensfragen ab. Worauf sich diese Annahme begründet: Fast alles, was erforscht und erklärt wird, wird davor von irgendjemandem mit einer höheren Macht (Zufall, Schicksal, irgendeiner oder mehrere der mannigfaltigen postulierten Götter, Karma, die Macht, etc.) begründet – man nennt dieses Argument »Gott der Lücken« (auch, wenn es nicht nur für einen Gott gilt, aber da wird es am häufigsten verwendet). Das ist natürlich sehr bequem, weil man einfach sagen kann »Das hat x so gemacht« und sich damit die manchmal lästige Arbeit erspart, die Gesetzmäßigkeiten hinter den Phänomenen zu entdecken. Das Problem beim Postulieren einer solchen omnipotenten Macht – und das ist sie ja, wenn sie ohne Kausalität ins Universum eingreifen kann – ist, dass man damit alle bisherigen Gesetzmäßigkeiten invalidiert. Ursache und Wirkung sind der Grundstein aller Gesetzmäßigkeiten. Wenn dieses Prinzip nicht mehr gelte, gäbe es folglich keine Gesetzmäßigkeiten mehr: Ohne bestimmbaren Raum (im mathematischen Sinne) keine Logik, und ohne Logik keine Gesetzmäßigkeiten. Und deshalb hat man die Wahl: Ein Universum, in dem alles von einer von außen wirkenden Kraft gelenkt ist (und damit ist wirklich alles gemeint: Die Elektronenbewegungen in einem Ziegelstein ebenso wie der Zug desselbigen zur Erde) oder ein Universum, das ganz und gar in einem abgeschlossenen Kosmos (als mathematischer Raum der Möglichkeiten) existiert, in den von außerhalb – etwa in Form eines Zufalls – nicht eingegriffen werden kann.
Nun gäbe es per se keinen Grund, die Möglichkeit eines durchwegs gelenkten Universums in einem offenen Kosmos gleich auszuschließen. Allerdings weist bislang alles darauf hin, dass die Möglichkeit eines nach Gesetzmäßigkeiten agierenden Universums in einem abgeschlossenen Kosmos ungleich wahrscheinlicher ist: Es gelingt uns, komplexe Gesetze – sogenannte Theorien – aufzustellen, bis hin zu solchen, die durchwegs konterintuitiv sind, und daraus Vorhersagen aufzustellen, die bislang immer eingetroffen sind. Das spricht sehr dafür, dass Kausalität existiert, weil sonst die Erfolgsquote dieser Voraussagen bei nahezu Null läge. Wie gesagt, es deutet alles darauf hin, dass es keinen Zufall gibt. Natürlich könnte ich die Restwahrscheinlichkeit, dass es Zufall gäbe, berücksichtigen, aber das würde mir keinerlei Verbesserung meiner Lebensqualität oder meines Erkenntnisvermögens bringen. Wenn ich mein Auto in die Garage stelle, vereinfacht es mein Leben extrem, davon auszugehen, dass ich in einem deterministischen Universum lebe, in dem der wahrscheinlichste Verlauf der Dinge ist, dass es später immer noch in der Garage ist, und in dem es nicht ähnlich wahrscheinlich ist, dass sich mein Auto in Luft, ein Elefanten oder ein schwarzes Loch verwandelt.