Kaiserreich Drachenstein

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Determinismus oder Zufall?

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Angefangen und dann [url=http://drakestrin.de/thread/view/1834/last#post55094]dort[/url] abgebrochen wurde die folgende hier nun fortgesetzte Diskussion:

Wenn der Urknall die Antwort ist, wer oder was hat sie dann gegeben? ;) Warum hat es "Bumm" gemacht? Was war davor? Erscheint mir zu wacklig, zumindest wenn man behauptet es auf rein wissenschaftliche Beine stellen zu wollen.

Und übrigens suggeriert es das nicht. Die Zeit beginnt und läuft seit 14 Mia. Jahren. DAS ist die Information die ich den Aussagen im Zusammenhang mit dem Urknall entnehme.

Urknall ist Zufall. Also nicht deterministisch. Mit anderen Worten, du glaubst nicht an den Urknall. Oder?

Alles deutet darauf hin, dass es einen Urknall gab, warum sollte ich das bezweifeln? Mir ist vielmehr nicht ganz klar, wie Du darauf kommst, dass der Urknall Zufall war. Oder wie überhaupt irgendetwas Zufall sein kann, wenn wir schon dabei sind.

Vielleicht sollten wir erst einmal den Begriff [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Zufall]Zufall[/url] klären. Demnach ist Zufall das, was deterministisch nicht sein kann, weil es ja eben keinen Grund gibt, warum etwas passiert. Daraus folgt, wenn das Universum deterministisch ist, dass es einen Grund für den Urknall gab. Wie aber soll es den gegeben haben, wenn vorher Raum und Zeit nicht existent waren? Also ist das Universum zufällig entstanden, ergo nicht deterministisch. Oder?

Gut, es gibt noch andere Erklärungsmöglichkeiten. Aber eins nach dem anderen.

Zufall im Bezug auf Korrelation kann es auch in einem deterministischen Universum geben, aber das ist hier nicht wirklich relevant.

Wie aber soll es den gegeben haben, wenn vorher Raum und Zeit nicht existent waren? Also ist das Universum zufällig entstanden, ergo nicht deterministisch. Oder?

Wenn vorher Raum und Zeit nicht existent waren? Das würde ja bedeuten, dass es ein Vorher gab, was aber der Aussage, dass Raum und Zeit mit dem Urknall entstanden, widerspricht. Und die Kausalität ist auch nicht ganz richtig: Selbst wenn es vorher Raum und Zeit gegeben hätte, würde daraus nicht folgen, dass der Urknall zufällig stattgefunden hätte.

Wenn irgendwas irgendwas "anfängt", dann gibt es ein davor. Denn aus Nichts wird nichts. Und sei es nur ein unendlich dichter Massepunkt oder Energieblase oder was auch immer. Etwas kann nicht aus nichts kommen. Genausowenig wie Leben aus Nichtleben "entstehen" kann. Also muss es ein auslösendes Moment gegeben haben, was dann den Urknall zur Folge hatte.

Nebenbei bemerkt, ich glaube nicht an den Urknall, aber ich finde die Diskussion spannender, interessanter und vor allem lehrreicher (für mich), wenn ich einem A.D. nicht unähnlich, diese Position hier vertrete. Du darfst dich also tatsächlich voll ernst genommen fühlen. Ich diskutiere für mein Leben gern und koste das jetzt ein bisschen aus. Wenn dich das stört oder du keine Lust mehr hast, bitte rechtzeitig sagen, damit man das hier friedlich beenden kann. :)

Warum wird nichts aus Nichts? Das trifft dank Energieerhaltungssätzen innerhalb unseres Universums zu, aber deshalb muss es ja nicht außerhalb darauf zutreffen. Es ist ja durchaus recht einfach denkbar, dass das Universum nur exisistiert, weil es möglich ist, und dann braucht es nichts außerhalb davon, auch keine Masse oder Energie oder dergleichen.

Oh, bist Du dann ein Steady-State-Anhänger? Sehr spannend, einen solchen habe ich in der Tat noch nie getroffen. ^^ Was sagst Du zum Hintergrundstrahlungs-Problem und zum White-Sky-Problem?

02.04.2015, 18:41

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(Oh, Anmerkung noch: Natürlich kann Leben aus Nichtleben entstehen; das nennt man dann Abiogenese oder chemische Evolution. :) )

Steady State? Eben zum ersten Mal gehört.

Dass ausserhalb unseres Universum noch etwas sein könnte ist Spekulation. Und nein, ich weiss auch nicht, wo hinein sich das Universum ausdehnt.

Ich akzeptiere, dass die Urknall Theorie vieles ganz toll erklären kann. Aber eben nicht alles. Der Einwand "Noch nicht" ist auch nichts anderes als ein Glaubensbekenntnis, was ja auch in Ordnung ist.

Und Abiogenese ist bislang auch nichts weiter als eine Hypothese.

Aber wir kommen ein bisschen vom Thema ab. Der Determinist glaubt ja nicht an Zufall. Worauf begründet sich denn dieser Glaube?

Steady State ist neben der Urknalltheorie die andere Theorie zur Entwicklung des Universums. Und diese Formulierung ist auch so recht wichtig, denn: Die Urknalltheorie erklärt nicht, warum sich das Universum in erster Linie entwickelt hat, weil sie das gar nicht soll. Sie deshalb abzulehnen, ist so, als würde man die Gravitationstheorie ablehnen, weil sie die Evolution nicht erklären kann. Es ist nicht Aufgabe der Gravitationstheorie – und genauso wenig ist es Aufgabe der Urknalltheorie zu erklären, warum das Universum entstand. Deshalb auch mein starkes Beharren darauf, dass es außerhalb des Universums Zeit und Raum nicht gibt (womit sich auch die Frage erledigt hat, wohin sich das Universum ausdehnt): Wo Zeit und Raum nicht existieren, verliert auch Kausalität als Begriff, der auf diese Dimensionen aufbaut, seine Bedeutung. Und deshalb sollten wir uns beim Diskurs ganz klar auf dieses Universum beschränken.

Bezüglich Abiogenese: Hypothese vielleicht noch vor vierzig Jahren; mittlerweile würde ich schon locker bei Chemischer Evolution von einer Theorie sprechen, und noch dazu von einer konkurrenzlosen: Der gesamte Prozess von einem unbelebten Planeten hin zu selbstreplizierenden Vesikeln wird durchgehend verstanden und kann im Labor repliziert werden. Anschließend gibt es dann halt die Frage, ob die metabolistische oder genetische Entwicklung im Vordergrund stand, aber dass eine dieser beiden Entwicklungen stattfand, ist unbestreitbar, und momentan geht der Konsens dahingehend, dass beides ungefähr zeitgleich stattfand. Und schon sind wir bei RNA und über früher oder später bei DNA, komplexen Proteinen, Krebs-Zyklus, und den ganzen Sachen, die man aus dem Biounterricht noch kennt. Oder hast Du eine andere Erklärung dafür, wie Leben entstanden ist?

Da ich nun gleich über Zufall reden werde, möchte ich vorneweg eine Definition aufstellen: Mit »Zufall« werden verwirrenderweise vier verschiedene Konzepte bezeichnet, und diese Konzepte sollte man nicht in einen Topf werfen. Es gibt den korrelativen Zufall; das ist der bekannte »Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet unsere Nachbarn letztes Jahr im Urlaub auf Bali getroffen haben!«-Zufall und sagt nichts anderes aus, als dass ein Fall von so geringer Wahrscheinlichkeit eingetreten ist, dass sie sich außerhalb unserer Intuition bewegt. Hier kann man eigentlich nicht guten Gewissens von Zufall sprechen. Dann gibt es den kausalen Zufall: Das heißt, es ist ein Ereignis vorgefallen, das scheinbar keinen Auslöser hat; es gibt also scheinbar keine Kausalität: Warum sterben die Fische in Aquarium A, aber nicht in Aquarium B, wenn in beiden Aquarien Wasser aus der gleichen Quelle ist? Wichtig ist, es handelt sich hierbei nur um eine scheinbare Kausalität: Aquarium A etwa ist bleiverglast, weshalb die Fische an einer Bleivergiftung sterben. Es werden also Variablen, die die Unterschiede erklären, nicht berücksichtigt. Auch das ist nicht der Zufall, um den es hier gehen soll, weil es eben kein wirklicher Zufall ist, sondern nur ein sprachgebräuchlicher. Dann gibt es den empirisch-pragmatischen Zufall: Ein Ereignis fällt vor, das von so vielen Variablen abhängt, dass man es nicht bestimmen kann. Klassisches Beispiel ist der Würfelwurf. Ich kenne alle Kräfte, die darauf einwirken, allerdings sind diese so komplex, dass ich den Ausgang nicht vernünftig berechnen kann. Würde ich jedoch eine mechanische Hand im Vakuum einen Würfel werfen lassen, so würde der Würfel bei gleichem Wurf – also gleichem Bewegungsvektor und Drehimpuls – immer auf der gleichen Seite landen. Auch hier liegt kein Zufall als Gegenbegriff zum Determinismus vor, sondern wieder nur als Sprachgebrauch. Und zuletzt noch gibt es dann den objektiven Zufall: Ein Ereignis fällt vor, ohne dass es durch irgendetwas ausgelöst würde – und das nicht, weil man eine Variable vergessen hat, sondern weil es dafür keine Ursache gibt. Das ist der Zufall, der als Gegenbegriff zum Determinismus steht, und den ich meine, wenn ich nun von Zufall sprechen werde.

Mit der Formulierung »Der Determinist glaubt nicht an Zufall« bin ich so nicht ganz glücklich, weil man mit Glauben in der Regel etwas dogmatisches verbindet. Ich würde lieber sagen: »Für den Deterministen deutet alles darauf hin, dass es keinen Zufall gibt«. Das ist zwar unterm Strich nicht viel anders, aber betont doch den wissenschaftlichen Charakter der Annahme etwas mehr und hebt es von bloßen (und in der Wissenschaft fehlplatzierten) Glaubensfragen ab. Worauf sich diese Annahme begründet: Fast alles, was erforscht und erklärt wird, wird davor von irgendjemandem mit einer höheren Macht (Zufall, Schicksal, irgendeiner oder mehrere der mannigfaltigen postulierten Götter, Karma, die Macht, etc.) begründet – man nennt dieses Argument »Gott der Lücken« (auch, wenn es nicht nur für einen Gott gilt, aber da wird es am häufigsten verwendet). Das ist natürlich sehr bequem, weil man einfach sagen kann »Das hat x so gemacht« und sich damit die manchmal lästige Arbeit erspart, die Gesetzmäßigkeiten hinter den Phänomenen zu entdecken. Das Problem beim Postulieren einer solchen omnipotenten Macht – und das ist sie ja, wenn sie ohne Kausalität ins Universum eingreifen kann – ist, dass man damit alle bisherigen Gesetzmäßigkeiten invalidiert. Ursache und Wirkung sind der Grundstein aller Gesetzmäßigkeiten. Wenn dieses Prinzip nicht mehr gelte, gäbe es folglich keine Gesetzmäßigkeiten mehr: Ohne bestimmbaren Raum (im mathematischen Sinne) keine Logik, und ohne Logik keine Gesetzmäßigkeiten. Und deshalb hat man die Wahl: Ein Universum, in dem alles von einer von außen wirkenden Kraft gelenkt ist (und damit ist wirklich alles gemeint: Die Elektronenbewegungen in einem Ziegelstein ebenso wie der Zug desselbigen zur Erde) oder ein Universum, das ganz und gar in einem abgeschlossenen Kosmos (als mathematischer Raum der Möglichkeiten) existiert, in den von außerhalb – etwa in Form eines Zufalls – nicht eingegriffen werden kann.

Nun gäbe es per se keinen Grund, die Möglichkeit eines durchwegs gelenkten Universums in einem offenen Kosmos gleich auszuschließen. Allerdings weist bislang alles darauf hin, dass die Möglichkeit eines nach Gesetzmäßigkeiten agierenden Universums in einem abgeschlossenen Kosmos ungleich wahrscheinlicher ist: Es gelingt uns, komplexe Gesetze – sogenannte Theorien – aufzustellen, bis hin zu solchen, die durchwegs konterintuitiv sind, und daraus Vorhersagen aufzustellen, die bislang immer eingetroffen sind. Das spricht sehr dafür, dass Kausalität existiert, weil sonst die Erfolgsquote dieser Voraussagen bei nahezu Null läge. Wie gesagt, es deutet alles darauf hin, dass es keinen Zufall gibt. Natürlich könnte ich die Restwahrscheinlichkeit, dass es Zufall gäbe, berücksichtigen, aber das würde mir keinerlei Verbesserung meiner Lebensqualität oder meines Erkenntnisvermögens bringen. Wenn ich mein Auto in die Garage stelle, vereinfacht es mein Leben extrem, davon auszugehen, dass ich in einem deterministischen Universum lebe, in dem der wahrscheinlichste Verlauf der Dinge ist, dass es später immer noch in der Garage ist, und in dem es nicht ähnlich wahrscheinlich ist, dass sich mein Auto in Luft, ein Elefanten oder ein schwarzes Loch verwandelt.

Ich wüsste zu gern, wie man die Planetare Entwicklung von unbelebter Materie zu Leben wie wir es kennen (RNA ist noch kein Leben, sonst gäbe es Antibiotika gegen Viren. Diese Dinger sind aber immernoch saumässig schwer zu beseitigen) im Labor replizieren will. Im Labor ist eh schwierig bzw. einfach, weil kontrolliert und man genau weiss, was man gut. Meistens jedenfalls.

Lass mich das "Warum" durch "Wie" ersetzen. Ich gebe zu, die Urknalltheorie will nicht erklären, warum das Universum entstand. Aber sie kann auch nicht erklären, wie es dazu kam. Das ist fast so, als würde jemand erklären, wie der Motor läuft, aber nicht wie er gestartet wurde. Es fehlte was.

Wie will man die "Anti-Determinismus-Zufall-Variante" von den anderen unterscheiden können? Wenn man z.B. nicht über alle nötigen Informationen verfügt, weil sie mit unseren zwangsläufig begrenzten Mitteln nicht eruierbar sind. Somit kann gar nicht klar sein, ob die Entstehung unseres Universums nun objektiver Zufall ist oder nicht. Wenn es nun aber kein objektiver Zufall wäre, dann könnte es einen Grund geben. Oder nicht?

Der Begriff "Glaube" wird nun in negativem Kontext mit Dogmatismus gleichgesetzt oder zumindest in Verbindung gebracht. Ich z.B. - und ich bin bei weitem nicht der Einzige - verbinde damit eher "für wahr halten", was auf Wissenschaftlich übersetzt in etwa "deutet alles darauf hin" sein könnte. Ich finde die Grenze ist hier so haarfein, dass man es schon fast spalten müsste um einen Unterschied zu konstruieren. Wissenschaftler reden für meinen Geschmack viel zu häufig von "Wissen" und meinen damit, dem "Glauben" etwas voraus zu haben.

Interessant, dass du die Mathematik anführst. Ich bin zwar lausig in Mathe, finde sie aber äusserst faszinierend, weil sie die einzige Wissenschaft ist, in der es einen wirklichen Beweis gibt. Und jetzt kommts: Die Beweise funktionieren nur innerhalb unseres Systems, also Universums. Aufgrund ihrer Möglichkeiten bzw. Begrenztheiten ist es uns unmöglich falsifizierbare Aussagen über irgendetwas ausserhalb unseres Universums zu machen. Noch nicht mal, OB es ausserhalb von Raum und Zeit etwas gibt.

Ich sehe auch noch immer nicht, warum ein kausales System die Möglichkeit einer wie auch immer gearteten "Einmischung" von aussen per se ausschliessen muss. Eigentlich ist diese Aussage mit unseren Methoden und Mitteln wie gesagt gar nicht mach- und haltbar.

Und was die Entstehung von Leben angeht, ja, da habe ich zwar keine Alternative, aber eine Erklärung. Zugegeben eine, die ich nicht falsifizieren kann, die ich aber als die nachvollziehbarere ansehe. Sie steht in der Genesis und nochmal in etwas abgewandelter Form in den ersten Versen des Johannes-Evangeliums.

Ich bin so weit von deiner Ansicht gar nicht weg. Ich glaube nämlich auch nicht an objektiven Zufall, oder um es wissenschaftlicher zu formulieren: Ich halte die Wahrscheinlichkeit, dass es objektiven Zufall gibt, für gegen Null tendierend.