Um ihn herum entsteht eine schwarze Mauer aus Nichts, über ihm eine nicht sichtbare Kuppel aus dem selben Material welches jegliches Licht auf seinen Weg zu ihm verschlingt. Der Boden ist hart und unnachgiebig, und trotzdem ist das Stehen auf ihm keine Last. Kein Lichtstrahl dringt vor an diesem Ort und doch, als er an sich herunter blickt kann er seine Gestalt, seine Hände und Kleidung erkennen. Wie in meinem Traum... Ist dies das Reich der Toten? Kommen hierher alle Seelen wenn sie sich aus ihren Körpern getrennt haben? Ein trostloser Ort der Leere? Sind diese Götter mit derart Bosheit versehen? Avinash zögert. Wenn es den selben Gesetzen wie sein einster nächtlicher Traum unterliegt, dann wird er einen Schritt nach den anderen machen können, ohne dass sein Körper sich fort bewegt, hinaus aus dem Bannkreis bewegt den Androgar mit den anderen mit beschwörerischen Formeln umringen und ihn im Reich der Toten hält. Andererseits, was geschieht wenn sein Körper aus dem sicheren Bannkreis ausbricht, während seine Seele noch hier wandert? Angst befällt seine Sinne, das Gefühl etwas unrechtes, gefährliches zu tun. Habe ich etwa all das auf mich genommen um jetzt zu zögern? Avinash verscheucht die eben noch gefühlten Ängste und versucht einen ersten Schritt. Es hätte ihm nicht verwundert wenn sein Fuß keinen Boden gefunden hätte und er in endlose Tiefen gefallen wäre. Aber nichts geschieht. Es dringt sogar kein Laut des Auftretens an sein Ohr. Die Stille ist dermaßen Perfekt, dass es schon an Wahnsinn grenzen mag sie länger ertragen zu müssen. Der Herzog schreitet weiter voran, immer einen Fuß vor den anderen setzend und blickt sich um. Er erkennt in dieser Finsternis rein gar nichts, keine Wesen, keine Mauern, kein Weg und allmählich nagt der Zweifel in ihm ob er auch richtig handelt. Seine Schritte beschleunigen sich unwillkürlich und für einen Moment hat er das Gefühl, das knurren aus mehreren Mäulern vernommen zu haben, da schimmert ein Licht inmitten der Düsternis. Avinashs Hoffnung auf ein baldiges Ende all seiner Irrfahrten bekommt neue Nahrung, seine Erinnerungen an den Traum frischt immer mehr auf. Sein Gang beschleunigt sich, wird immer mehr zu einem rennen und tatsächlich kommt er der Lichtgestalt immer näher und fängt an sie zu erkennt. Das marmorweiße vertraute Gesicht, die keck geschwungene Brauen, die wissbegierigen und doch allwinsenden Augen. Die eine die sein Herz besitzt. Seine Liebe aus vergangener Zeit die ihn noch über ihren Tod hinaus keine Ruhe lässt. Celina. In voller Schönheit scheint sie im Zentrum zu schweben, ein weites schneeweißes Abendkleid tragend aus tausenden funkelnden Diamanten die ihn in ihrem Glanz fast schon blendeten. Ihr schwarzes Haar, eingebetet auf den nackten Schultern, wurde um ein Diadem aus glitzernden Steinen bereichert. Auch ihre Augen strahlen in überweltlichen Blau. Sie sieht aus wie eine Königin, nein, wie eine Göttin! Sprachlos steht er vor ihr , seine Hände beginnen zu zittern als er sie nach ihr ausstreckt. Ihre Stimme, unwirklich, wie ein letzter Winterhauch im beginnenden Frühling.
"Geliebter... du bist gekommen..."
"Celina ich..."
Noch immer starrt er seine Gefährtin von einst an, ohne die richtigen Worte finden zu können, obwohl er sich vorgenommen hatte ihr so vieles mit zu teilen. Sie streckt sich ihm entgegen, legt ihre Hände in die seine und... er kann es kaum glauben,... er spürt die Handflächen und Finger seiner Geliebten wie sie seine Haut berührt. Seine Finger schließen sich um ihre Marmorweißen Hände. Unsagbare Freude entflammt in sein Herz und Avinashs Blick verschleiert sich durch die Freudentränen die ihn zu übermannen drohen. Eine wahrhaftige Last ist von ihm gefallen und die folgenden Worte sprudeln nur so aus ihm heraus.
"Ich habe auf diesen Moment so lange gewartet, Geliebte. Seit Jahren hoffe ich dich wieder zu sehen, deine Stimme zu hören, nicht nur in einem überirdischen Traum oder Vision, sondern dich leibhaftig vor mir zu haben, deine Nähe zu spüren... Der Gedanke daran dass all meine Hoffnungen enttäuscht werden könnte, umschloss mein Herz mit glühenden Ketten. Jeden Tag harrte ich einfach nur aus für diesen Moment, mein Liebling...
... Celina, ich brauche dich... das Kaiserreich braucht dich wieder... ich wollte dein Andenken ehren, in dem ich unseren Traum einer neuen Welt verwirklichen wollte, doch es schlägt fehl. Sie vertrauen mir nicht, ihre Ignoranz für die Zukunft macht sie blind!..."
Den Blick voller Liebe unterbricht sie den Herzog nur mit einer leichten Neigung ihres Kopfes. Schlagartig verstummt Avinash und sein noch zuvor erhitztes Gemüt die in ihm brodelt kühlt ab. Sein Herzschlag beruhigt sich augenblicklich. Ihre Daumen streichen über seine Haut und verursachen darauf eine Gänsehaut.
"Ich habe es gesehen... Geliebter... im Reich der Toten... können einige wenige sehen... was bei den Zurückgebliebenen vor sich geht... Sie werden verstehen, Avinash,.... dass du nur das Beste für sie willst."
Avinash führt Celinas Hände an seine Lippen und küsst diese voller dankbarkeit für die Worte des Trostes. Sie fühlen sich kalt an. Unwirklich, nicht lebendig. Er weiß das sie sich wohl genauso gesorgt hat um ihn wie er um sie, aber ihm blieb es bis heute verwehrt sie auf zu suchen. Der Entschluss war gefasst. Androgar musste Celina heute wieder in die Welt der Lebenden holen. Nicht in Zukunft, nicht später, HEUTE! Mit fester Stimme fährt der Herzog fort, die Hände seiner Liebe keinen Deut locker lassend. Seine Mine hart und unnachgiebig lässt keinerlei Widerspruch zu. Auch das leise mahnende Klingen von Meister Androgars Stimme in seinem Kopf hält ihn nicht davon ab.
"Nein Geliebte. Ich werde hier nicht ohne dich gehen. Du kommst mit mir zurück oder ich bleibe hier bei dir im Reich der Toten. Nie wieder will ich dermaßen getrennt von dir sein. Nie wieder werden wir getrennt sein. Im Raum liegt aufgebahrt dein Körper. Du wirst mich begleiten und gemeinsam werden wir die großen Änderungen die wir so lange zusammen planten durch führen. Wir beide werden die Weltordnung neu entstehen lassen."
Zuerst liegt ein Schleier der Angst über Celinas Gesicht, doch seine Worte zeigen Wirkung und immer entschlossener wird auch ihr Wille ihren Geliebten niemals wieder im Stich zu lassen und dieser Welt der Finsternis und damit auch den Göttern endgültig den Rücken zu kehren. Sie beugt sich nach vorne, ihre Lippen berühren sich für einen allerersten Kuss seit Jahren und Avinash ist so, als wären Zeit und Raum vollkommen Bedeutungslos für sie geworden, verschmelzen ihrer beider Seelen miteinander für diesen einen Augenblick der ihm alles bedeutet. Ein wohliger Schauer durchläuft seinen Körper als der Pakt besiegelt wird. Als sie sich langsam wieder voneinander trennen ist Celinas Blick ebenso entschlossen wie der seine. Ein helles Funkeln in ihren Augen deutet ihre Bereitschaft an. Vorsichtig tasten ihre Finger über Avinashs Unterarme und suchen eine bestimmte Stelle, dann schlagen sie sich direkt in das Fleisch hinein und setzen sich fest. Gleißender Schmerz durchzuckt das Hirn des Herzogs, die Welt zuvor noch neu erblüht durch ihre Liebe, geht in Flammen auf die sein inneres auf zu zehren beginnt. Schmerz ist alles was er zunächst spürt und welcher sein ganzes Bewusstsein ausfüllt. Sein Körper reagiert auf keinen seiner Befehle mehr, seine Beine können ihn nicht mehr länger halten, das pulsierendes Rauschen von seinem eigenen Blut nimmt sein ganzes Gehör in Anspruch. Eiswasser wird ihm scheinbar direkt in die Adern gespritzt und breitet sich von seinen Armen aus gehend im ganzen Körper aus, umfassen seine Lunge und schnüren sie zu, so dass er kaum mehr Luft bekommt. Keuchend versucht er sich zusammen zu nehmen, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schmerz beginnt sich zu lindern und Avinash reißt die Augen auf. Bunte Kreise tanzen vor seinen Augen, verwirren seine Sinne. Seine Umgebung ist unscharf, er erkennt nur vor sich eine Lichtgestalt die neben ihn kauert... ja kauert. Avinash fängt an mehr wahr zu nehmen. Er kniet auf den Boden, Celina immer noch bei sich haltend. Doch was geschieht mit ihr? Ihr Blick ist gen Himmel gerichtet, das Gesicht schmerzverzehrt, der Mund zu einem stummen, andauernden Schrei geöffnet. In ihren Augen flackern seltsame silberne Flammen und züngeln hungrig umher. Sie scheint unaussprechliche Qualen zu erleiden. Ihr Griff hat nach gelassen, erst jetzt bemerkt er wie die Arme seiner Geliebten sich aus den seinen entwinden. Dies muss der Auslöser für das Verebben der Schmerzen gewesen sein. Avinash beobachtet wie seine Liebe einer Ohnmacht nahe ist, anfängt nach hinten weg zu sacken vor Erschöpfung. Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Ich... darf sie nicht schon wieder verlieren! Mit leidenschaftlicher Gewalt reißt er den kraftlosen Körper an sich, umschließt ihren Körper und hält ihn fest an den seinen gedrückt. Celinas Augen mustern ihn durch einen wässrigen Schleier hindurch, die Pupillen sind nicht mehr zu erkennen.
"Du darfst mich nicht verlassen! Hörst du! Bleib bei mir!"
Pure Verzweiflung lässt Avinash gegen das Donnergrollen in seiner Umgebung anschreien. Die Finsternis um sie herum bekommt Risse, Licht strahlt durch diese hindurch. Ohrenbetäubendes Knirschen hallt in seinen Ohren wieder, irgendetwas fällt neben ihm zu Boden, er spürt den Luftzug durch das Fallen. Das Geräusch des Aufpralls auf den Boden bleibt aus. Durchsichtiger Staub, nur erkennbar wenn es vor den strahlenden Hintergrund von Celinas Kleides gerät, rieselt auf das Paar hinab. Unsicher was er tun soll, stützt er Celinas Kopf mit der einen Hand, ihren Körper mit der andern und blickt ihr immer wieder ins Angesicht um zu erkennen, ob sie noch bei Sinnen ist. Ein schwaches, schief verlaufendes Lächeln legt sich über ihr Gesicht und im selben Augenblick fühlt Avinash wie ihre eisigen Hände sich in sein Fleisch bohren ohne die Kleidung zu beschädigten. Ein neuerlicher Schmerz droht ihn zu überwältigen, lässt ihn erstarren. Im innersten gefriert sein Körper, die Organe beenden ihren Dienst, das Herz setzt spürbar aus. Alles um ihn herum dämmert, Celina wird immer undeutlicher, und trotzdem lässt er sie nicht los, stützt sich an ihr ab, wie sie es an ihn tut. Die Umgebung bekommt in Avinashs verschwommenem Blick mehr Konturen, mehr Farbe. Gestalten laufen hin und her, reden miteinander, rufen, aber Avinash versteht kein Wort, zu dumpf hallt es um ihn her. Eine gebeugte Gestalt die sich direkt vor ihm befindet und den Kopf zu ihm hinab senkt versucht ihm etwas mit zu teilen, er erkennt den Sinn ihrer Worte nicht. All seine Gedanken sind bei der Frau die er liebt und die er noch vor wenigen Augenblicken in seinen Armen gehalten hat. Doch sie ist verschwunden. In seinen Armen ist nichts, und auch am Rande seines Blickfeldes befindet sich nichts was auf ihr Verschwinden hin deutet. Er hat versagt. Er war nicht stark genug sie aus den Klauen des Todes zu befreien. Gebrochen lässt sich Avinash auf den Steinboden fallen. Das aufplatzen der Kopfwunde registriert er nicht einmal. So,... komme ich zu dir, Celina. Sein letzter Gedanke soll ihr gelten, und wenn zumindest ein Fünkchen Wahrheit in dem steckt was von den Göttern erzählt wird, dann wird er sie dort auf der anderen Seite wieder finden. Avinash keucht auf, als die Welt ein weiteres Mal auf ihn ein zu stürzen droht. Am Rande nimmt er einen kühlen Luftzug wahr der ihm zärtlich über das Gesicht streicht. Und ein geflüstertes Wort, ein einziges klar erkennbares Wort, gerät in sein Ohr und in seinen Verstand.
"Geliebter..."
Zwei Dinge. 1. Den kleinen Seitenhieb auf Zerberus konnte ich mir einfach nicht verkneifen und 2. Avinash ist natürlich nicht tot, es gibt noch einen dritten Teil für den ich heute aber schon zu müde bin.