Das Bimmeln der Glocke hallt noch lange in Sophias Geist nach. Sie bleibt bewegungslos stehen und schüttelt den Kopf. Was war das eben? Weshalb fühlt sie sich zu diesem Kerl so hingezogen? Sie lässt sich schwer auf den Stuhl fallen und räumt die Arbeit für die Dame aus Malazien zur Seite. Wenn sie das Gewand tatsächlich in vier Tagen fertig haben will, muss sie sich sofort ans Werk machen.
Bis in die späten Abendstunden überträgt Sophia Daerons Masse auf den wertvollen Stoff und schneidet die Einzelteile für sein Gewand zurecht. Sie bemüht sich, alles so sorgfältig wie möglich zu machen, doch immer wieder schweifen ihre Gedanken zur heutigen Begegnung mit ihm. Selbst in ihren kühnsten Gedanken hätte sie sich nicht ausmalen können, welch Flut an Gefühlen diese Erinnerungen erneut in ihr wecken könnten. Sie fühlt sich wie ein Staubkorn, das in einem Sandstrum herumgewirbelt wird. Dabei vergisst sie, wo oben und unten ist. Sie ist so gefangen in ihrer Erinnerung, dass sie erst gar nicht bemerkt, dass das Feuer im Kamin inzwischen schon ausgegangen ist und der Morgen zu dämmern beginnt.
Im Hinterzimmer ihrer Schneiderei, wo Sophia wohnt, um sich die Miete für eine Wohnung zu sparen, gönnt sie sich einige Stunden unruhigen Schlafes, ehe sie an Daerons Gewand weiter schneidert. Ohne Pause und Unterlass schneidet, näht und bügelt sie einen ganzen weiteren Tag. Dabei sticht sie sich mehr als einmal in den Finger, so unkonzentriert, wie sie ist. Doch sie kommt gut voran. Als sie sich Abends auf ihr Bett legt, starrt sie ruhelos an die Decke. Daeron hat ein Verlangen in ihr geweckt, das gestillt werden möchte. Ein Begehren, das sie nicht zur Ruhe kommen lässt. Ja, sie verzehrt sich nach ihm und es ist ihr unmöglich, seinen Blick zu vergessen. Sie weiss, wie töricht das ist. Vermutlich verschwendet er keinen einzigen Gedanken mehr an sie. Doch es ist ihr egal. Ihr Verstand kann ihr tausendmal sagen, dass sie sich ihn aus dem Kopf schlagen sollte, es hat keinerlei Wirkung.
Es ist so einfach. Sie will ihn, sie begehrt ihn. Sie will ihn sehen, ihm nahe sein. Ihn nur anschauen. Sie will, dass er ihr Gesellschaft leistet, sehnt sich nach diesem prickelnden Gefühl, das sie durchläuft, sobald sie an ihn denkt. Und sie denkt verdammt oft an ihn. An seine purpurnen Augen, die vollen, sinnlichen Lippen, da dunkle Haar, das sie mit den Fingern durchwühlen will.
Doch vor allem wünscht sie sich, dass auch er sie begehrt. Mit derselben Heftigkeit, die sie für ihn empfindet. Daeron.. Sein Name klingt wie ein Lied. Ein Lied, das sie ganz erfüllt. Das ihr Blut in Wallung bringt. Das sie schwach werden lässt, schwach, vor Sehnsucht.