Als Gideon den Brief öffnet, schlägt ihm, wie bei Belles Briefen üblich, ein süsser Blumenduft entgegen.
Liebster Freund Gideon,
Ich muss zugeben, ich war zu Beginn leicht pikiert von deiner Idee, mir einen jungen Burschen zum Geschenk zu machen. Doch ich habe mich darauf eingelassen, weil eben du es warst, der ihn geschickt hat. Ich dachte mir, mein Freund Gideon wird gewiss einen guten Grund gehabt haben, jemanden direkt in Amelias Fänge laufen zu lassen..
Um es kurz zu machen, Jayden hat bereits nach wenigen Minuten ganze Arbeit geleistet. Amelias Antlitz hat nach und nach im Graben des Anwesens ihr kühles Grab gefunden. Es war befreiend, die ganzen Erinnerungen los zu werden, selbst wenn das nur unter Einwirkung von reichlich Wein möglich war. Doch je weiter Amelia gewichen ist, desto kleiner und jämmerlicher war die kleine Belle, die geblieben ist.
Ich bin empört darüber, dass du glaubst, ich könnte mich in einen Burschen wie Jayden verlieben. Nicht, weil er nicht äusserst klug, amüsant und Entzückend wäre und dazu über einen Körperbau verfügt, der seinesgleichen sucht. Aber dein Bruder ist es, dem mein Herz gehört. Zweifelst du daran?
Dennoch habe ich dein Geschenk in jener Nacht zu würdigen gewusst. Ich kann äusserst überzeugend sein, habe es mit Wein gefügig gemacht und nach allen Regeln der Kunst verführt, weil der klägliche Rest meiner Selbst einsam war. Weil da niemand ist. Weil ich mir dank meines masslos berauschten Zustandes einreden konnte, es wäre Marius. Aber Jayden hat diese Illusion spätestens dann zunichte gemacht, als er begonnen hat, sich zu verfluchen, für das, was er eben getan hat.
Sobald dein Geschenk in Rosener zurück ist, wird er diesem "Jemand", der dort wohl auf ihn wartet, alles beichten. Er fürchtet, dass alles aus ist und ist nun kaum mehr zu gebrauchen. Ein Häufchen Elend ist ein Anblick der Freude dagegen. Amelia wäre das gleichgültig. Belle jedoch macht sich zugegebenermassen Gewissensbisse. Ich hoffe, du kannst mir berichten, dass dieser "Jemand" kein Mensch ist, der aufgrund eines einzigen Fehlers einen so wundervollen Menschen wie Jayden verlässt. Menschen machen Fehler. Ich habe unzählige gemacht, auch solche, die niemals wieder gut zu machen sind. Aber auch ich hoffe darauf, dass Marius erkennt, dass ich jetzt eine andere bin. Und ich glaube, Jayden ist es nun auch.
Manchmal dauert es eben ein wenig, bis man erkennt, was wirklich zählt im Leben. Wofür es sich lohnt, zu kämpfen, alte Gewohnheiten abzulegen und sich zu verändern. Das ist alles andere als leicht. Aber hat nicht jeder eine zweite Chance verdient? Ich glaube nun fest daran. Und so werde ich nicht länger zögern und mich auf den Weg zu Marius machen.
Ich danke dir für alles.
Belle. Amelia.