1.849 Aufrufe, 13 Beiträge.
Im Schlafzimmer der Villa Pifa liegt ein Mann in mittleren Jahren, er ist etwas bleich im Gesicht und lange nach Sonnenfaufgang immernoch nicht aufgestanden. Für Tiagaren Pifa, Vorsteher des Hauses Pifa und Graf von Vintam eine absolute Seltenheit.
So selten, dass er sogar nach einem Alchemisten rufen lässt.
Silas packt, alarmiert von einem Boten des Grafen, seine Arzeientasche und reist zu Tiagaren Pifas Schloss. An der Eingangspforte wendet er sich an die Wachen.
Seid gegrüsst, ich bin der Alchemist, den Ihr gerufen habt. Silas da Rumata der Name. Würdet Ihr mich freundlicherweise zu Eurem Herrn führen?
"Bitte sehr, ihr werdet bereits erwartet."
Der Wächter öffnet die Tür und dahinter kommt ihm ein Diener entgegen.
"Ihr müsst der Alchemist sein, bitte kommt doch, es wird von Tag zu Tag schlimmer. Zuerst wollte er gar nicht, dass jemand kommt, aber letztendlich konnten wir ihn von der Notwendigkeit überzeugen. Bitte tut war ihr könnt."
Sie kommen an eine grosse Tür aus schwerem dunklem Holz, an die der Diener vorsichtig klopft.
Herrruuuphmpmmfpp ... Herrein.
Silas bedankt sich mit einem schlichten Kopfnicken und lässt sich ins Krankenzimmer führen. Die Luft, die den abgedunkelten Raum erfüllt, ist stickig und warm. Silas sieht sich um und versucht, sich die ganze Umgebung einzuprägen. Schon oft sind es äussere Umstände gewesen, die einen Kranken schwach haben werden lassen und nicht eine Krankheit selbst. Doch typische Allergieen auslösende Pflanzen oder Kerzen fehlen hier gänzlich. Langsam geht er auf das Bett zu, stellt seine Arzneientasche ab und verneigt sich.
Graf Pifa? Mein Name ist Silas da Rumata, ich bin der Alchemist. Sagt, wie lange habt Ihr diesen Husten schon?
Silas betrachtet den Grafen nachdenklich. Seine Haut scheint gräulich und sein Atem ist so flach, dass sich seine Brust kaum noch hebt. Lediglich die Hustenattacken zwingen ihn, gelegentlich keuchend nach Luft zu schnappen.
Tiagaren winkt den Alchemisten zu sich und versucht den Kopf zu heben, was ihm leidlich gelingt.
Seit ein paar *mhhhmmm* *mhhrhrhrhmmm* Tagen erst.
Silas weist einen der Bediensteten an, das Fenster zu öffnen, die schweren Vorhänge aber geschlossen zu halten. Er beugt sich über den Grafen und hält ihm seinen Handrücken über die Stirn, berührt den hohen Herren aber noch nicht. Erst muss er sicher sein, dass dieser auch in die Behandlung einwilligt. Im Hause da Pifa weiss man nie, ob man für eine Verletzung der Etikette nicht gleich beseitigt wird. So sagen es zumindest die Gerüchte.
Ein paar Tage.. Sagt, seid Ihr sehr lichtempfindlich, dass Ihr das Zimmer verdunkelt habt? Ihr braucht nicht zu sprechen, nickt einfach oder schüttelt den Kopf, ich werde meine Fragen entsprechend formulieren.
Hat er zufällig zwei kleine Bissstellen am Halsbereich? ;-)
Vergiss nicht, dass Silas selbst Vampir ist.. ;)
Das dachte ich mir.. Ihr erlaubt, dass ich Euch untersuche?
Silas wartet ein weiteres Nicken ab und legt dem Grafen dann die Hand auf die Stirn, welche vor Hitze zu glühen scheint. Dann nimmt er zwei Finger und tastet beide Seiten des Halses seines Patienten ab, direkt unter dem Kinn. Ein bedrohliches Pfeifen ist aus Don Pifas Kehlkopf zu hören. Der Alchemist nickt betrübt, als würde sein Verdacht bestätigt. Er nimmt die Hand seines Patienten und dreht sie mit der Handfläche nach oben. Kleine Blutspritzer zieren die fahle Haut des Grafen. Dann sieht er ihm direkt in die Augen.
Ihr hättet mich früher rufen sollen, Graf Pifa. Das sieht nicht gut aus. Ich gebe Euch jetzt etwas, das Eure Schmerzen lindern und Eure viel zu hohe Körpertemperatur senken wird.
Er nimmt ein kleines Fläschchen aus seiner Arzneientasche, welches die Aufschrift "Liquor Kalii arsenicosi" trägt, und träufelt einige Tropfen der darin enthaltenen Essenz auf einen kleinen Silberlöffel, um sie dem Grafen danach vorsichtig einzuflössen.
Brav nimmt der Don die Medizin und verschluckt sich beinahe daran.
Dann legt er sich wieder hin und fällt in einen unruhigen Schlaf.
Im Verlauf der nächsten Tage geht es Tiagaren Pifa jedoch nicht besser. Er magert zusehends ab und als der Alchemist das nächste mal das Zimmer betritt muss er seinen Schrecken in Zaum halten. Die Fratze die ihm entgegenstarrt hat kaum noch Ähnlichkeit mit dem energischen jungen Mann der er noch vor ein paar Wochen gewesen war.
Silas weist alle Bediensteten an, sich von diesem Krankenzimmer fern zu halten. Er richtet sich selbst in einer Ecke des Schlafgemaches ein provisorisches Nachtlager ein. Den ganzen Tag verbringt er damit, kühlende Tücher aufzulegen, dem Grafen Flüssigkeiten und Arzneien einzuflössen und ihm so die schlimmsten Schmerzen zu nehmen. Doch er ist sich sicher, das Leben des Grafen geht mit grossen Schritten auf sein Ende zu.
Don Tiagaren Pifa, Graf von Vintam und Vertreter Ihrer Königlichen Hoheit Euphemia da Rumata-Drakestrin bei Gericht, verschied heute Morgen nach kurzer aber heftiger Krankheit in Anwesenheit der einzigen Person, die sich ehrlich um ihn gekümmert hatte. Mit der einzigen Ausnahme seiner verstorbenen Mutter vielleicht.
Er wurde gemäss den neuen gesetzlichen Vorschriften in aller Stille eingeäschert. Schlicht und ohne Pomp, ganz wie es der Graf gewollt hätte.