17.183 Aufrufe, 1.499 Beiträge.
Ein Versuch ist es wert.
sagt Shae mit gezucketen Schultern und beginnt am oberen Rand der Seite zu lesen, unterbricht sich aber kurz darauf bereits.
Also dieser Mann, er wurde von den Göttern verflucht. Und deswegen ist er nun dazu verdammt, alle zu verlieren, die er liebt. Ziemlich tragisch, oder?
Silas zieht sich in seinen Turm zurück, steigt die Stufen nach oben und setzt sich auf sein Bett. Hier, in diesem Raum sind so viele Erinnerungen. Erinnerungen an schöne Zeiten. Er streicht mit den Fingern über das Holz des Bettes, das er für Claire gebaut hat und die erste Träne rinnt über seine Wange. Ich wünschte, ich könnte dich loslassen, wie du mich.. Er lächelt traurig und zieht ihr Bild hervor, betrachtet es im Mondlicht, das durch die Kuppel fällt und gestattet es sich, ein letztes Mal in seinem Kummer um die verlorene Liebe zu versinken. Er kauert sich auf der Bettdecke zusammen wie ein kleines Kind und weint.
Irgendwann versiegen die Tränen und machen etwas anderem Platz. Der Schmerz verändert sich, wird zur Sehnsucht und auch die Bedeutung des Ortes wandelt sich. Das Gefühl von Tamis Umarmung, ihrer Wärme, das Geräusch ihrer tröstenden Worte vermisst er in diesem Augenblick so sehr wie niemals zuvor.
:( poor Silas
Irgendwann geht Shae sogar soweit, die im Buch wiedergegebenen Geschehnisse zu erörtern, als müsse sie Maurice unterhalten. Sie wird zunehmend müder, aber aufhören kann sie dennoch nicht.
Ist es nicht total schwachsinnig, dass er ihr niemals erzählt hat, was mit ihm ist? Dass er so eine Macht in sich trägt, sollte er doch mit ihr teilen, wenn er sie denn wirklich geliebt hat. Er hätte sie beschützen müssen vor sich, hätte sie es denn gewollt. Aber naja, er hätte ihr zumindest sie Wahl lassen sollen.
Als würde Maurice Shaes Ansichten zustimmen, seufzt er in diesem Augenblick leise und seine Gesichtsmuskeln zucken, als wolle er etwas sagen. Doch dann liegt er wieder so reglos da, wie zuvor.
Shae zuckt sichtlich zusammen, als sich Maurice tatsächlich zu regen scheint, schiebt es aber auf eine Einbildung ihrerseits. Um sicher zu gehen, tastet sie dennoch seine Stirn nach Fieber ab und sorgt dafür, dass er richtig liegt, bevor sie sich wieder auf ihre Seite begiebt und unter die eigene Decke kriecht.
Das war wohl seit langer Zeit die grauenvollste Nacht, die Silas erlebt hat. Er fiebert dem Sonnenaufgang regelrecht entgegen, als würde dieser nicht nur die Schatten der Nacht, sondern auch die Schatten aus seiner Seele vertreiben. Zusammengekauert liegt er da und sieht, wie endlich die ersten Sonnenstrahlen über dem Meer den Himmel in ein helles rot tauchen. Erleichtert schliesst er die Augen und lächelt. Dann steht er auf, macht sich draussen am Brunnen frisch und sieht nach Shae.
Diese ist noch im Sitzen und mit dem Buch in den Händen eingeschlafen. Vermutlich hat sie noch bis spät in die Nacht gelesen und nach dem Patienten gesehen, auch wenn von diesem keine Reaktion zu erwarten war.
Silas muss unweigerlich leise lachen, als er dieses Bild sieht. Die Pritsche mit dem reglosen Elben, der noch immer so da liegt, wie er ihn gestern verlassen hat. Und direkt daneben sein Zögling, eingeschlafen mit einem Buch in der Hand, während sie sich um ihren Patienten gekümmert hat. Der Anblick rührt ihn so sehr, dass er ihn sich einen Moment lang einprägt, ehe er Shae sanft das Buch aus den Händen nimmt und dann Maurices Stirn und die Wundränder seiner Verletzung abtastet.
Shae atmet noch einen Moment ruhig ein und aus, bevor sie Silas' Anwesenheit, vielleicht sogar seinen Geruch wahrnimmt und flatternd die Augen öffnet. Sie analysiert die Situation blitzschnell und richtet sich noch etwas weiter im Sitzen auf, wobei sie einen Schmerzenslaut unterdrückt, als ihr verspannter Rücken ihrer Aktion widersprechen will.
Geht es ihm gut? Ich habe ihn mehrfach kontrolliert, es müsste alles in Ordnung sein.
Silas lacht erneut und sieht Shae kurz liebevoll an, ehe er sich Maurices Arm widmet.
Ja, es ist alles in Ordnung. Die Schwellungen sind ein wenig zurück gegangen, das ist gut. Wir können die Schiene am Arm etwas fester ziehen.
Er holt eine Schüssel frisches Wasser und einen Lappen und stellt beides auf die kleine Ablage neben Maurices Pritsche.
Es ist noch früh, geh noch ein bisschen schlafen, wenn du möchtest. Das sah nicht gerade bequem aus..
Denkst du...
setzt Shae an, wird jedoch von einem kräftigen Gähnen unterbrochen.
Vermutlich hast du recht.
Sie lächelt verschlafen und dreht sich dann einfach zur Seite, zieht die Decke über sich und wirft einen letzten langen Blick auf Maurice, bevor sie die Augen schließt und innerhalb weniger Minuten wieder wegdämmert.
Silas schüttelt lächelnd den Kopf und setzt sich dann zu Maurice auf die Pritsche. Er greift nach dem Lappen und tupft die Stirn des Elben mit kaltem Wasser ab. Als Shae längst wieder eingeschlafen ist, zurrt er die Armschiene seines Patienten etwas fester und lässt die beiden dann wieder auf den Pritschen schlafen.
Als Shae schließlich wieder erwacht, steht die Sonne beinahe direkt über den Gewächshäusern. Sie orientiert sich kurz, dann richtet sie sich auf, um sich frisch machen zu gehen, tastet aber erneut kurz zuvor Maurices Stirn ab, bevor sie sich entfernt. Innerhalb weniger Minuten ist sie zurück und hockt erneut mit dem Buch neben ihm.
Ein paar Minuten Später setzt sich Silas zu den beiden. Er hat Verbandsmaterial und eine grüne, stark nach Kräutern duftende Masse dabei.
Du hast nicht vor ihm wieder von der Seite zu weichen, bis er aufwacht, nicht wahr?
fragt der Vampir schmunzelnd und streckt Tami die Schale mit der Kräutermasse entgegen.
Hier. Für seine gebrochenen Rippen. Ehe er bei Bewusstsein ist, können wir ihm nur äusserlich helfen. Das ist eine Masse aus Wermut, Königskerze, etwas kriechendem Günsel und Arnika. Dick auftragen und verbinden.
Tami seufzt leise und zuckt mit den Schultern.
Ich will nicht, dass er allein ist, wenn er aufwacht.
erklärt sie und nimmt bereitwillig die Paste entgegen, um sie aufzutragen. Sie zieht die Decke sanft von Maurice Körper und entblößt seinen Brustkorb so weit wie möglich.
Ich habe mir überlegt, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Tamis Kräfte zu absorbieren. Sie zumindest unschädlich zu machen, indem man sie vermindert.
Während Shae sich um Maurices Rippen kümmert, trägt Silas vorsichtig eine andere Flüssigkeit auf die Naht an seinem Kopf auf.
Man könnte mit Schutzamuletten zumindest vorerst verhindern, dass sie für andere gefährlich wird. Nur mache ich mir Sorgen, weil wir sie selbst damit nicht schützen können. Also wenn du eine Idee hast, wie man die Macht absorbieren kann, dann nur raus damit.
antwortet er völlig ruhig und lächelnd, während er sich auf sein Tun konzentriert.
Shae hält einen Moment inne.
Wie wäre es mit einem Orb? Weißt du, diese runden Dinger... Ich habe keine Ahnung, wie man Energie transportiert, aber vielleicht... Vielleicht ja du oder einer der anderen Alchemisten.
Amabel weiss, wie man einen Orb herstellt..
antwortet Silas nachdenklich nach einigen Augenblicken des Schweigens. Er denkt so konzentriert nach, dass ihm das Tuch, das er eben noch in der Hand hielt, hinunter auf das Gesicht des Elben fällt.
Entschuldige.
murmelt er und schenkt dem Reglosen ein entschuldigendes Lächeln. Dann sieht er Shae an.
Die Idee ist gut. Allerdings brauchte sie ihn damals nur, um Energie darin einzuschliessen. Transferieren ist noch einmal eine ganz andere Sache.
Shae blickt auf Maurice Rippen, denkt aber weiterhin über Silas' Worte und andere Möglichkeiten nach.
Vielleicht sollten wir es mit solchen Amuletten versuchen.
Silas nickt nachdenklich und steht dann auf.
Ich bin unten in den Laboren, für die Amulette brauche ich ein paar Stunden. So wie ich das sehe, macht es dir nichts aus, hier die Stellung zu halten.
Er deutet mit dem Kinn auf Maurice, ist aber schon halb auf dem Weg zur Treppe.