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Rhaegar zögert erneut, dann scheint er sich jedoch zu entsinnen, dass dies ihre einzige Chance ist.
Ich hole Euch sogleich Pergament und Tinte...
beginnt Rhaegar und macht einen Schritt auf seine Mutter zu, bleibt dann jedoch stehen. Er hat sich verabschiedet. Es ist zu spät. Sie nimmt ihn sowieso nicht wahr. Also verlässt er den Raum.
Ich bin gleich zurück.
Viserya bleibt stehen und verschränkt die Arme vor der Brust. Sie beobachtet den Alten genau, während dieser sich nun an Mutters Bettkante setzt und einige Fläschchen aus seinen Taschen zieht. Immer wieder blickt er über seiner Schulter zurück zu ihr, als wolle er sicher gehen, dass sie ihm kein Schwert in den Rücken rammt, wenn er etwas unüberlegtes tut. Und ihr ist es ganz recht so, selbst wenn sie im jetzigen Zustand nicht im Geringsten daran denkt, eine Klinge zu führen.
Etwas Blut, ein Haar, vorsichtig ausgerissen und ein paar Hautpartikel aus dem Ohr der Vergifteten. Dazu die Farbe der Augen kontrollieren und die Beweglichkeit der Finger. Die ganze Zeit über läuft dem Alten der Schweiss. Das hier ist eine grosse Sache und er darf sich keine Fehler erlauben.
Kurz darauf kehrt Rhaegar mit Tinte, Feder und Pergament zurück, reicht sie dem Alten und tritt dann wieder zu Viserya zurück.
Benötigt Ihr noch etwas?
Der Alte bedankt sich und setzt sich dann an den kleinen Tisch, um mit seinen Aufzeichnungen zu beginnen. Es dauert ungefähr zehn Minuten, dann reicht er dem Drachenreiter das fertige Schreiben.
Hier steht alles drin. Eure Mutter wurde mit gebändertem Saumfarn vergiftet. Dies ist eine Pflanze, die man hier hauptsächlich in etwas höheren Gefilden findet, oftmals in der Nähe von Flüssen oder Bächen. Die Menge des darin enthaltenen Giftes ist stark abhängig vom Standort, denn der Saumfarn zieht seine Giftstoffe aus dem Boden.
Kleine Dosen eines Sudes aus eben diesen Pflanzen ins Ohr... über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren verabreicht... erzeugen Wucherungen im Kopf. Dieser Prozess ist.. wie schon erwähnt.. zu meinem Bedauern irreversibel.
Er räuspert sich und senkt den Blick.
Rhaegar treffen die Worte des Alten wie ein Schlag in die Magengrube. Zwei Jahre? Edric hat ihre Mutter über zwei Jahre hin vergiftet und keinem von ihnen ist es aufgefallen? Wie konnte das sein? Er fährt sich aufgebracht durch die Haare.
Zwei Jahre?
Auch Viserya starrt den Alten entgeistert an und jegliche Farbe weicht aus ihrem Gesicht.
Und wir haben nichts davon bemerkt..
Sie greift nach dem Pergament auf dem Tisch und steckt es ein. Der Heiler kann nichts für Edrics Tun und dennoch ist er gerade der, der ihnen diese schlechten Nachrichten überbringt. Sie will ihn nicht länger sehen und so schnell wie möglich los werden.
Wie viel Zeit bleibt ihr noch?
Nun..
Der Alte steht auf und mustert die Patientin erneut.
Ihr solltet Euch heute Abend womöglich verabschieden. Ich glaube kaum, dass sie den morgigen Tag noch erleben wird. Es tut mir wirklich leid.
Auch wenn sich Rhaegar mit dieser Möglichkeit schon in den letzten Stunden auseinander gesetzt hat, schießen ihm nun erneut Tränen in die Augen. Wie kann das alles nur passiert sein, ohne dass er es mitbekommen hat? Ist er so ein schlechter Sohn? Dann sind all die Vorwürfe seiner Mutter und seines Onkels vielleicht irgendwie gerechtfertigt. Er hat sich lieber auf Krieg und andere Dinge konzentriert, als seiner eigenen Mutter genug Aufmerksamkeit zu schenken, um so etwas wie eine Vergiftung zu bemerken.
Ich danke Euch.
Der Heiler nickt und nimmt seine Jacke.
Macht Euch keine Vorwürfe. Die Auswirkungen eines solchen Giftes sind erst erkennbar, wenn es längst zu spät ist. Danke, ich finde schon raus.
Und mit diesen Worten verlässt er das Haus und geht eilig davon.
Viserya zögert nicht lange, sondern klammert sich an Rhaegar fest und nun kann auch sie ihre Tränen nicht länger zurück halten. Sie vergräbt ihre Finger in seiner Jacke und schluchzt an seiner Brust.
Rhaegar umfängt seine Schwester wie schon eher am Tag. Er hält sie fest, während ihnen beiden Tränen die Wangen hinablaufen.
Es wird alles gut, Liebste. Sie wird nicht mehr leiden müssen. Nie wieder.
Viserya nickt an Rhaegars Brust und braucht eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hat. Doch dann nimmt sie die Hand ihres Bruders und zieht ihn hinüber zu Mutters Bett, um sich zu ihr zu setzen, ihre Hand und letzten Endes Abschied zu nehmen.
Ein Moment für uns, dann holen wir die Kinder.
flüstert sie leise und schwach, während sie versucht, sich wieder zu fassen. Für Ihn und.. die beiden Kleinen.
Schon bald, während sie minutenlang an Mutters Seite hocken, wandelt sich die Trauer in Rhaegar in Wut um. Wir auf Mutter, Wut auf sich selber und Hass auf Edric.
Ich werde morgen an den Hof reißen. Die Hochzeit kann ich wohl kaum verhindern, aber ich werde Edric dafür büßen lassen.
Viserya schüttelt sanft den Kopf.
Nein, die Hochzeit ist bereits vollzogen. Daran können wir nichts mehr ändern.
Sie streicht Mutter über die blasse Haut und merkt sich jede Kleinigkeit noch einmal so, dass sie nichts wieder vergessen wird. Nicht ihren Duft. Nicht ihren leisen Atem. Nicht die feinen, geschwungenen Linien ihres Gesichtes.
Was willst du tun? Edric wird niemals zugeben, was er getan hat..
Wir haben die Aufzeichnungen des Alten. Und gewiss sind wir nicht die Einzigen, die etwas gegen ihn haben und dies auch anbringen werden.
erwidert Rhaegar kalt, denn viel mehr ist in seinem Herzen nicht übrig geblieben. Er will Edric in den Ruin treiben. Alles andere ist zweitrangig.
Viserya nickt gedankenversunken. Sie hat Angst davor, was mit Rhaegar geschehen könnte, wenn er Edric unter die Augen tritt. Sie fürchtet sich vor den Konsequenzen, vor dem, was sie hören wird, wenn ihr Mann wieder zurückkehrt. Falls er zurückkehrt.
Du weisst, ihm ist alles zuzutrauen. Auch, dass er dich genauso beseitigt wie Mutter und Ellaria.
gibt sie schwach zu bedenken, weiss aber schon längst, dass Rhaegar sich nicht von seinem Vorhaben abhalten lassen wird, ganz egal, was sie sagt. Dafür kennt sie ihn zu gut.
Aber ich bin nicht länger geblendet von seiner Flaschheit.
rechtfertigt Rhaegar sich und steht auf. Viserya meint es nur gut, dennoch wird er sich nicht abbringen lassen.
Ich sehe nach den Kindern.
Viserya nickt betrübt und bleibt an der Seite ihrer Mutter sitzen, nimmt ihre Hand und wartet. Vielleicht auf eine bahnbrechende Idee. Vielleicht auch nur darauf, dass die Angst um Rhaegar sie wieder etwas besser atmen lässt.
Spring, wenn du willst. Aber erstmal müsste die Hochzeit statt finden, oder? :D
Dann lass uns hier erstmal pausieren.